Buchbesprechungen
„Störungen der Aussprache“ und 4„Störun
gen der Grammatik“ zu einer Trilogie, die
sich dem Themenkomplex der Sprachentwicklungsstörungen widmet.
Der vorliegende Band konzentriert sich da
bei auf die„Störungen der Semantik“, ei
nem Störungskomplex, der nach Ansicht
Grohnfeldts nicht simplifizierend mit einem
zu geringen Wortschatz gleichzusetzen ist.
Inhaltlich gliedert sich der Band 3 nach ei
ner umfassenden Einleitung in die The
mengebiete:
— Aspekte der Bedeutungsentwicklung als Grundlage pädagogisch-therapeutischer Interventionen;
— Zur Therapie semantischer Störungen;
— Spezielle Fragestelllungen;
zu denen sich Vertreter der Sonder- u. Heil
pädagogik, der Rehabilitationspädagogik,
der Sprachwissenschaft, der Psycholinguistik, der Neuropsychologie und der Logopädie in insgesamt dreizehn eigenständigen
Beiträgen äußern.
Der Herausgeber des Gesamtwerkes, Man
fred Grohnfeldt, leitet in die Thematik ein
mit dem Beitrag„Störungen der Semantik als lange vernachlässigtes Teilgebiet gestörter Sprachentwicklung“. Grohnfeldt verweist darauf, daß Fragestellungen zur Wortbe
deutung und Begriffsbildung weder im
deutschsprachigen noch im angloamerika
nischen Raum ausreichend Eingang in die sprachheilpädagogisch-logopädische Praxis gefunden haben, wenngleich seit den 70er
Jahren die Bedeutung kindlicher Äußerun
gen zunehmend das Forschungsinteresse ver
schiedener Fachdisziplinen findet. Grohnfeldt zeigt auf, warum Hinweise auf Störungen der Wortfindung oder auf einen verminderten Wortschatz nur wenige Oberflächenphänomene eines sehr viel komplexeren
Störungsbildes andeuten und beschreibt das
Erscheinungsbild semantischer Störungen.
Kilbom geht in seiner Arbeit„Neuropsycho
logische Voraussetzungen: Semantische Ent
wicklung und Gedächtnisbildung“ der Frage nach, wie Kinder Gesten und Wörtern
Bedeutungen zuordnen und welche Vorgän
ge im Zentralnervensystem dies ermögli
chen.
Szagun zeigt„Zusammenhänge zwischen
semantischer und kognitiver Entwicklung“
auf, beleuchtet die kognitiven Voraussetzungen für den Erwerb erster grammatischer
Kategorien, kognitive Schemata und Struk
turen als Vorläufer von sprachlich adäquaten
Formen sowie die kognitive Entwicklung
und die Entwicklung von Wortbedeutungen.
Gipper berichtet„Vom Aufbau des sprach
lichen Weltbildes und dessen Bedeutsamkeit
für das Denken und für die Beurteilung semantischer Störungen“. Gippers Thesen stützen sich auf eine Untersuchung, die am Institut für Allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Münster durchgeführt wurde. Anfang der 80er Jahre erforschte Gipper mit Hilfe von Eltern die Sprachentwicklung von 70 Kindern, von der Geburt bis zum 3. Lebensjahr. Seine Ergebnisse veröffentlichte der Autor 1985 in dem Buch„Kinder unterwegs zur Sprache“. Gipper zeigt auf, wie der Sprachgebrauch bestimmten semantischen Regeln gehorcht. Die notwendigen Konsequenzen für die Therapie semantischer Störungen kann er jedoch noch nicht ziehen, so daß er selbstkritisch lediglich einige allgemeine Hinweise für den Praktiker gibt.
Hansen schreibt über„Semantische Konzepte und kindlicher Grammatikerwerb“. In seinem Beitrag geht er der Frage nach, mit Hilfe welcher Lernmechanismen die formalen Eigenschaften von Sprache erworben werden können und greift dabei auf den funktionalistischen Ansatz, die Theorie der Operating Principles sowie auf die Lernbarkeitstheorie in Verbindung mit dem Parametermodell des Spracherwerb zurück. Darüber hinaus zeigt Hansen exemplarisch, daß auch formale linguistische Lernmodelle, die von eigenständigen Erwerbsmechanismen ausgehen, auf die Annahme semantischer Lernstrategien angewiesen sind.
Den zweiten größeren Themenkomplex des Bandes„Zur Therapie semantischer Störungen“ leitet Braun mit seinem Beitrag„Allgemeiner Überblick über verschiedene Interventionsansätze zur Sprachförderung und Sprachtherapie im Bereich der Semantik“ ein. Braun unternimmt den Versuch, den sprachdidaktischen Hintergrund einer Therapie semantischer Auffälligkeiten zu umreißen. Dazu trägt er Konzeptansätze und Bausteine zur Konstituierung einer didaktischen Semantik zusammen und definiert didaktische Semantik als Theorie und Praxis der organisierten Vermittlung von semantischem Lernen.
Zollinger zeigt in ihrem Beitrag„Förderung des Sprachverständnisses als Integration symbolischer und kommunikativer Prozesse“ Entwicklungsstufen des Sprachverständnisses in den ersten Lebensjahren auf, diskutiert mögliche Störungsursachen und gibt Anregungen für eine Förderung. Motsch schreibt über„Verbale Eltern-KindInteraktionen und kindliche Wortschatzerweiterung“ und erläutert Prinzipien, Inhalte und Ziele des Freiburger Konzeptes der Zusammenarbeit mit Eltern.
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 1, 1993
In der Arbeit von Horsch„Materialien und Medien bei der Wortschatzerweiterung— sensomotorische Grundlagen und didaktischmethodische Umsetzung“ wird im theoretischen Teil Rückgriff auf die Entwicklungstheorie von Piaget genommen, um dann exemplarisch das hierauf basierende„sensomotorische Vorschulprogramm für behinderte Kinder“ sowie die„Materialien zur Früherziehung“ in einigen Förderbeispielen vorzustellen.
„Probleme der Diagnostik lexikalisch-semantischer Störungen“ stehen im Mittelpunkt von Günthers Ausführungen. Nach grundlegenden linguistischen und entwicklungstheoretischen Überlegungen zur Wortschatzentwicklung, zu Wortbedeutungen und Wortarten-Differenzierung unterzieht Günther die deutschsprachigen Wortschatz- und Bedeutungstests„Frankfurter Tests für Fünfjährige“(FTF-W u. WSS 1),„Aktiver Wortschatztest für drei- bis sechsjährige Kinder“ (AWST 3-6),„Peabody Picture Vocabulary Test“(PPVT),„Hawik/Hawik-R-Wortschatztest“ einer kritischen Analyse mit dem Fazit, daß sich die Diagnostik lexikalischsemantischer Fähigkeiten in einem desolaten Zustand befindet. Ein förderdiagnostisch orientierter Vorschlag für ein Instrumentarium zur Erfassung lexikalisch-semantischer Störungen, das sich in der Ausarbeitung und Erprobung befindet, läßt den Praktiker, der dringend auf ein fundiertes und aussagekräftiges Diagnostikinstrument angewiesen ist, mit Spannung die angekündigte Publikation erwarten.
Sarimski setzt sich mit dem Thema„Kindliches Symbolspiel und Bedeutungsentwicklung: Möglichkeiten der Intervention“ auseinander. Dazu reflektiert er kritisch eine Reihe von Studien zur Symbolspielentwicklung bei sprachretardierten Kindern aus den 80er Jahren und empfiehlt als Schlußfolgerungen für therapeutische Interventionen bei sprachentwicklungsverzögerten Kindem die Kombination von strukturierten symbolischen Handlungen und darauf abgestimmte verbale Äußerungen des Erwachsenen im kommunikativen Dialog.
Beckers Artikel„Sprache und Handlung als Grundlage der Aneignung von Begriffen und der Wortschatzerweiterung“ beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen Denken, Handeln und Sprechen und deren Entwicklungsprozessen während der ersten fünf Lebensjahre.
Im letzten Beitrag des Handbuchs„Zur Dialektik von Denken und Sprechen bei sprachbehinderten Kindern“ wählt Holtz die Methode der Fallstudie, um einige Aspekte der
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