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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Die pädagogischen und sonderpädagogischen Interventionsmöglichkeiten beziehen sich auf Unterrichtssituationen in der Regel- und Förderschule. Fünf verschiedene Konzepte werden dazu vorgestellt. Das Konzept von Cruickshank, das davon ausgeht, daß Kin­der mit dem hyperkinetischen Syndrom leicht ablenkbar sind und äußerst schnell und sen­sibel auf Umweltreize reagieren. Entspre­chend umfaßt das Konzept die Reduzierung von Umweltreizen einschließlich der Räum­lichkeiten, in denen schulisches Lernen statt­findet, die Strukturierung des Unterrichts­alltages und der Unterrichtsmaterialien, wo­bei besonders die Gestaltung des Unter­richtsmaterials zur Verbesserung der Dis­kriminationsleistung der Kinder bei Aufga­benstellungen führen soll. Als zweites wird das Konzept von Hewett vorgestellt. Hewett geht von einem hierarchischen Entwick­lungs-Stufen-Modell aus, welches sieben Fertigkeiten umfaßt: Das Aufmerksamkeits­verhalten, das Antwortverhalten, die Auf­tragsausführung, das Erkundungsverhalten, das soziale Anpassungsverhalten, kognitive Grundfertigkeiten und intrinsisches Lei­stungsverhalten. Für jede Entwicklungs­stufe gibt Hewett methodische Hinweise an. Das Zentrale dieses Konzeptes besteht in dem funktionsteiligen Klassenraum, der drei Bereiche aufweist. Die einzelnen Entwick­lungsstufen werden gesondert diesen drei Funktions- bzw. Lernzentren innerhalb ei­nes Klassenraumes zugeordnet. Schließlich ist das didaktisch-methodische Vorgehen so­wie die Nutzung der einzelnen Funktions­bereiche des Klassenraumes in ein Token­System, welches individuell auf jeden Schü­ler abgestimmt wird, integriert. Als drittes schulpädagogisches Konzept wird das der optimalen Stimulierung nach Zentall darge­stellt. Hierbei wird von der Hypothese der Unterstimulation hyperkinetischer Kinder ausgegangen, und entsprechend werden in dem Konzept Vorschläge bezüglich der Raumgestaltung und der Aufgabenaufberei­tung mit dem Ziel einer optimalen Stimu­lierung unterbreitet. Als viertes wird der strukturiert-Schüler-zentrierte Unterricht nach Neukäter und Goetze vorgestellt. Die­ser Unterricht versucht, Ansätze der huma­nistischen Psychologie, insbesondere in Anlehnung an Rogers sowie Vorgehens­weisen der kognitiven Verhaltensmodifi­kation miteinander zu verbinden. Das Unterrichtsmodell gliedert sich sodann in drei Phasen, nämlich in eine Ausgangs­situation, in der Basisfertigkeit von Lern­verhalten, unter anderem mit Hilfe operanter Vorgehensweisen den Kindern vermittelt

werden sollen; in ein mittleres Stadium, in dem die Selbstkontroll- und Selbststeue­rungsfähigkeit des Kindes besonders im Blickpunkt steht; und schließlich in die Abschlußphase, die die eigentliche Schü­lerzentrierte Unterrichtssituation darstellt, in der selbständig Lern- und Verhaltensziele sowie selbstgesteuerte und eigenständige Lernaktivitäten und Konfliktlösefähigkeiten im Blickpunkt stehen. Das fünfte Konzept schulischer Interventionsmöglichkeiten ist das der integralen Komplettierung nach Mo­nika Vernooij. Es setzt an der tiefenpsy­chologischen Theorie Adlers an und an der daraus abgeleiteten Umkehrung der periphe­ren in zentrale Symptome der Hyperkinese. Im Mittelpunkt steht dabei die Bedeutung des Selbstwertgefühls und an zweiter und dritter Stelle stehen Probleme der Wahr­nehmungsverzerrungen, als Teilleistungs­störungen markiert, sowie soziale Schwie­rigkeiten. Eine empirische Überprüfung die­ses Ansatzes steht bisher aus.

Das Buch von Vernooij ist eine gut struk­turierte Darstellung zum ProblemkreisHy­perkinetisches Syndrom. Es ist umfassend, bezüglich der Verursachungsfaktoren und der therapeutischen wie pädagogischen Inter­ventionskonzepte angelegt. An einigen Stel­len lassen die Ausführungen jedoch neuere Ergebnisse aus der Entwicklungspsycho­pathologie des Kindesalters gerade zu die­sem Problemkreis vermissen.

Prof. Dr. Ulrike Petermann, Bremen

Haeberlin, V./Freiburger Projektgruppe (Hrsg.): Heilpädagigische Begleitung in Kindergarten und Regelschule. Verlag Paul Haupt: Bern, Stuttgart, Wien 1993

Der vorliegende Band stellt eine Ergänzung dar zu zwei bereits in Buchform vorliegen­den Forschungsberichten über das INTSEP­Forschungsprogramm des Heilpädagogi­schen Instituts der Universität Freiburg, in dessen Rahmen seit 1986 Fragen zur inte­grierten Beschulung von Kindern erforscht werden, die bislang an Schweizer Sonder­klassen separiert unterrichtet wurden. Im er­sten Band wurde über die Ergebnisse einer empirischen-quantitativen Studie zu den Aus­wirkungen der Integration berichtet, im zwei­ten Band wurden Interviewstudien zur Fra­ge der Zusammenarbeit zwischen Regel- und Sonderschullehrerinnen, die mittels quali­tativen Verfahren ausgewertet wurden, dar­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 1, 1993

gestellt. Beim vorliegenden dritten Band han­delt es sich um einen subjektiven Erfah­rungsbericht einer Projektgruppe, die seit einigen Jahren die Möglichkeiten der Reali­sierung einer integrationsfähigen Schule im Umfeld eines Schulhauses in Freiburg/ Schweiz erprobt.

Im ersten Teil werden die konkreten sozia­len und schulstrukturellen Bedingungen er­Örtert, unter denen der Schulversuch statt­findet. Es wird(in knapper Form) auf die Funktionen der Institution Schule hinge­wiesen, die die Realisierung einer integrier­ten Unterrichtung erschweren, womit auch die Richtung einer Veränderung angegeben wird. Schließlich werden die(architekto­nisch-technischen, formal-organisatorischen, konzeptionellen und personal-interaktio­nellen) Rahmenbedingungen beschrieben, unter denen das Projekt stattfindet.

Im zweiten umfangreichsten Teil werden vier Dimensionen der heilpädagogischen Be­gleitung charakterisiert, die Umfeld- und Systemorientierung, die Individualisierung, die Förderdiagnostik und schließlich die Zu­sammenarbeit und Interdisziplinarität.

Wie anhand der Darstellung von fünf Situa­tionen im Kindergarten und drei Situationen in der Regelschule deutlich gemacht wird, hängen diese Dimensionen eng miteinan­der zusammen. Die Situationsdarstellungen selbst basieren auf subjektiven Erfahrungs­berichten meist aus dem Blickwinkel der Heilpädagogin. So werden Tagebuchnotizen herangezogen, Stimmungsberichte, Berich­te über ausgewählte Situationen in Kinder­garten oder Schule(z.B. die Kooperation von Kindergärtnerin und Heilpädagogin), Notizen über Wortmeldungen von Eltern auf Elternabenden, Verhaltensberichte über ein­zelne Kinder, Stundenpläne, aus denen die Zusammenarbeit von Pädagogin und Heil­pädagogin abzuleiten ist und ähnliches.

Ein eigenes Kapitel ist der Dimension För­derdiagnostik gewidmet.

Im dritten Teil wird über einzelne Aspekte der Supervision berichtet, und es werden Entwicklungslinien, die im Rahmen des Pro­jekts zu beobachten waren, nachgezeichnet. Abschließend werden kurz im vierten Teil Tendenzen und Perspektiven einer integra­tionsfähigen Schule in der Schweiz aufge­zeichnet.

Ein nicht allzu umfangreiches Literaturver­zeichnis rundet die Arbeit ab.

Insgesamt gesehen ist der vorliegende Band eine sehr anschauliche Darstellung der kon­kreten Arbeit in einem Integrationsprojekt. Das Buch kann vor allem Praktikern wert­volle Anregungen für die eigene Arbeit ge­

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