Ein argumentativer Versuch über Möglichkeiten und Grenzen des Einfühlenden Verstehens als Methode sonderpädagogischer Forschung
und Praxis
Von Franz B. Wember
Die praktische sonderpädagogische Arbeit besteht, vereinfacht gesagt, aus Interaktionen(Gesprächen, Handlungen, emotionalen Zuwendungen usw.) zwischen Sonderpädagogen und behinderten bzw, von Behinderung bedrohten Kindern und Jugendlichen, die gegenseitiges Verstehen voraussetzen und die gleichzeitig auf gegenseitiges Verstehen und Hilfe abzielen. Ausgehend von der Unterscheidung zwischen Einfühlendem Verstehen und empirisch-anaIytischem Erklären wird die Methode des Verstehens an einem einfachen fiktiven Beispiel erläutert und im Hinblick auf die sonderpädagogische Forschung und Praxis expliziert. Eine Analyse der Gefahren und Grenzen verstehender Methoden läßt den hypothetischen Status verstehend gewonnener Erkenntnisse ebenso deutlich werden wie die Notwendigkeit empirisch-analytischer Forschung. Verstehen und Erklären, so wird gefolgert, sind in einer Sonderpädagogik, die sich als praxisbezogene wissenschaftliche Disziplin versteht, nicht konträre, sondern komplementäre Varianten der hypothetisch-deduktiven Methode,
Roughly speaking, practical special education consists of interactions between special educators and handicapped children and youths. These interactions are based on mutual understanding and, at the same time, are geared towards mutual understanding, help, and support. Based on the distinction between empathetic understanding and empirical-analy tical explanations, the method of understanding is explained along a simple fictitious example and explicated in respect to special education research and practice. The analysis of the inherent dangers and limitations of methods of understanding highlights the hypothetical status of the results achieved and points to the necessity of empirical research, It is concluded, that understanding and explaining are complementary rather than contrary conceptions of research methodology in the field of special education, which has to be conceptualized as a practice-related scientific discipline,
Eine gute und eine weniger gute Nachricht
Es gelingt uns Menschen nicht immer, aber immer wieder,— dies ist die gute Nachricht— friedlich und in wechselseitig bereichernder Weise zusammenzuleben. Aber— und dies ist die weniger gute Nachricht— Konflikte und Probleme, Enttäuschungen und unerfüllte Erwartungen, Ärger und Verdruß gehören zum Zusammenleben, so scheint es,
ebenso dazu wie Freude und Glück; den sonnigen Tagen folgen zu häufig auch Regentage. Zum Glück führen in einer ernsthaften Freundschaft oder in einer engeren Partnerschaft Probleme und Konflikte nicht notwendigerweise zu einem Ende der zwischenmenschlichen Beziehung, sondern sie werden mindestens von einem, im günstigen Fall von beiden Interaktionspartnern angegangen und mehr oder minder erfolgreich ausgeräumt. Streiten verbinde, haben
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 2, 1991
vor einigen Jahren zwei amerikanische Ehetherapeuten behauptet(Bach& Wyden, 1975), die in der klinischen Praxis beobachten konnten, daß Partnerschaften durchaus an der gemeinsamen Bearbeitung von Problemen wachsen können, aber dies ist, wie die Erfahrung lehrt, leider nicht immer der Fall: Oft genug führen Probleme zum Bruch einer zwischenmenschlichen Beziehung, Streiten kann auch trennen.
Wann und unter welchen Bedingungen
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