Metakognitive Instruktionsgespräche
über Leseschwierigkeiten
mit Grund- und Sonderschülern*
Von Emil Schmalohr
Der Beitrag behandelt theoretische und praktische Aspekte metakognitiver Instruktionsgespräche zur Behebung von Leseschwierigkeiten. Nach der Konzeptplanung und einer Einzelfallstudie werden Ergebnisse einer Inhalts- und Clusteranalyse der Lesegespräche bei 76 Grundschulkindern und 23 jugendlichen lernbehinderten Sonderschülern dargestellt. Schwerpunkte in den Unterschieden zwischen den Gruppen sind eine reihende Dekodierungsstrategie und Probleme im emotionalen Bereich des Lesens auf Seiten der jugendlichen Lernbehinderten. Abschließend werden Fragen der künftigen Forschung und Praxis diskutiert,
The article describes theoretical and practical aspects of metacognitive instructional talks in order to improve reading difficulties. The planning of the concept and a case study are followed by results of content and cluster analyses of reading talks with 76 elementary school children and 23 learning disabled adolescents at the secondary school level. The differences between the groups focus on a prevalence of a serial reading strategy and difficulties in the affective domain in the group of the learning disabled adolescents. Finally, questions of further research and practice are discussed.
Dem Verständnis des Lernenden von seinen kognitiven Strategien, seiner Metakognition, wird in zunehmendem Maße Bedeutung für den Lernfortschritt zugeschrieben, auch wenn es sich um Lernende mit Schwächen und Behinderungen handelt. Dieser Ansatz führt auf der Suche nach neuen Förderwegen bei Leseschwierigkeiten zur Planung von Instruktionsgesprächen, in die metakognitive Komponenten integriert sind. In einem Lesegespräch verständigt sich ein Leselehrer mit dem Lernenden über dessen Vorgehensweisen beim Lesen und die dabei auftretenden Schwierigkeiten, um daraus mit ihm gemeinsam Selbstanleitungen mit dem Ziel zu gewinnen, die Lesestrategien zu verbessern.
* Der Grundschulrektorin Ursula Lenz und ihrem Kollegium, den Sonderschulrektoren Walter J. Zielniok und Wilhelm Hartmann sowie dessen Kollegium danke ich für ihre Unterstützung. Den Studentinnen Barbara Mildner, Edda Dorka, Brigitte
Der vorliegende Beitrag setzt einen ersten Projektbericht fort, der Ergebnisse bei 23 lernbehinderten Jugendlichen behandelt(Schmalohr 1990), und vergleicht diese Ergebnisse mit den Ergebnissen bei 76 Grundschulkindern. Außerdem ist beabsichtigt, das Projekt, das sich an frühere Bemühungen des Verfassers um den Leseunterricht anschließt, durch die Darstellung des neuen Forschungs- und Praxisansatzes und durch eine Fallstudie weiter zu verdeutlichen. Der Text ist in 4 Teile gegliedert:
1. Forschungs- und Praxisansatz
2. Fallstudien
3. Vergleich zwischen Grund- und Sonderschülern
4. Diskussion
Blenk, Birgit Schütte und Bärbel Steffens danke ich für die Durchführung und Auswertung der Lesegespräche sowie Dipl.Psych. Petra Bee-Göttsche für weitergehende Auswertungsarbeiten.
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII; Heft 3, 1991
Forschungs- und Praxisansatz Leseschwierigkeiten
In der Konzeptbildung von Leseschwierigkeiten hat es im deutschen Sprachraum drei Ansätze gegeben, die bis heute die theoretischen und praktischen Bemühungen bestimmen(vgl. Schmalohr 1971, 1980). Leseschwierigkeiten werden in einer Folge als Fähigkeits-, Komponenten- und Strategiedefizite verstanden. Den Ausgang bildet die deskriptive Lehrmethoden- und Legasthenieforschung der 70er Jahre, die Leseschwierigkeiten nach dem Konzept der LeseRechtschreibschwäche auf Mängel in allgemeinen seelischen Fähigkeiten zurückführt, wie z.B. Mängel in der Wahrnehmungs- oder Konzentrationsfähigkeit, die als Voraussetzungen für die Lesefähigkeit und deren Erwerb gelten. Die Intervention setzt dementsprechend nicht bei der Lesefähigkeit selbst an,
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