Emil Schmalohr*
lichkeiten gefragt wird. Von der Aufklärung der Antworten, die in diese Richtung gehen, z.B. der Antwort„Ich weiß nicht“, sind Ansätze für die Ausschöpfung weiterer Lernpotentiale zu erwarten.
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse in dieser Gruppe zeigt, daß die Jugendlichen mit. erheblichen Leseschwierigkeiten trotz ihrer Lernbehinderung in den Lesegesprächen ein beträchtliches metakognitives Wissen über ihre Vorgehensweisen an den Tag legen und auch über erstaunliche Steuerungsmöglichkeiten verfügen, die in Selbstanleitungen zur Verbesserung ihres Lesens genutzt werden können.
Ergebnisse bei 76 Grundschülern des 1. bis 4. Schuljahres
Die Gruppe der Grundschulkinder, mit denen Lesegespräche geführt wurden, bestand aus 76 Jungen und Mädchen der 1.—4. Klasse einer Wuppertaler Grundschule, die wegen ihrer Leseschwäche für den Förderunterricht vorgesehen waren. Die Gespräche wurden in den Einzelheiten(gesonderter Raum, Tonbandnachschrift, Fehleranalyse an Hand wiederholter Tonbandabschnitte, Einzelfallstudien) wie die Lesegespräche in der Sonderschulgruppe durchgeführt. Dennoch ergeben sich einige Abweichungen. Der Gesprächsleiter stellte in der zweiten Leitfrage nicht den zweiten Teil mit der Frage nach der Ursachenannahme, weil deren Bedeutung erst in den Arbeiten mit den folgenden Untersuchungsgruppen erkannt wurde. Als Leseprobe wurde nicht die Lesetestserie, sondern Textmaterial aus dem Klassenunterricht vorgelegt und mit der Bitte zur Wahl gestellt, daraus vorzulesen. In diesem Zusammenhang ist die Beobachtung interessant, daß die Aussagen der Leser über ihre Strategien, die formale Textteile (z.B. Buchstaben und Wörter) und Vorgehensweisen(wie angucken oder zusammenlesen) betreffen, über verschiedene Texte gleich blieben.
Vor allem ist hervorzuheben, daß es sich bei der Auswertung der Lesegespräche in der Gruppe der Grundschulkinder um erste vorläufige Ergebnisse handelt. Das
124
Metakognitive Instruktionsgespräche bei Leseschwierigkeiten
hängt hauptsächlich mit den Anfangsschwierigkeiten der Gesprächsleiter in der Handhabung der Leitfragen zusammen. Obschon der Gesprächsleiter zur Kontrolle mit einem Helfer in der Überzeugung tätig war, daß die Leitfragen auch tatsächlich gestellt wurden, konnte ein unabhängiger Auswerter in den Tonbandnachschriften der 76 Fälle nur in 53 Fällen die 1. Frage, in 33 Fällen die 2. und in 14 Fällen die 3. Frage identifizieren. Die folgende Zusammenfassung der Ergebnisse bezieht sich auf diese unabhängige Auswertung, die wiederholt wurde. Es ist noch anzumerken, daß die erneute Auswertung der Ergebnisse durch die vorliegenden Erfahrungen mit der Sonderschulstichprobe und die Systematisierung der Signierung durch ein Kodierbuch erleichtert war.
Auf die 7. Leitfrage„Wie machst Du das eigentlich, das Lesen?‘ nennen die Grundschüler mit Leseschwierigkeiten am häufigsten die Strategieklasse:„Buchstaben aneinandersetzen‘‘ mit Variationen wie:„Daran wieder es setzen“,„Dann /o/, dann /s/‘‘ und dergleichen. In einigem Abstand steht als 2. Kategorie das allein auf die Buchstaben ausgerichtete Entschlüsseln:„Ich lese mit den Buchstaben“‘,„Ich habe erst die Buchstaben gemacht‘. In abnehmender Häufigkeit machen die Kinder Aussagen wie„Ich buchstabiere mir das Wort, wie das geht“, „Das buchstabier ich mir ganz leise“, „Erst leise lesen, dann laut‘. Andere Kinder geben an, die Synthese in Schritten größer als Einzelbuchstaben vorzunehmen, liefern Berichte darüber, wie sie das Lesen gelernt haben oder wissen keine Strategie zu nennen.
Die 2. Leitfrage„Wo liegen die Schwierigkeiten?‘“ offenbart, daß die Buchstabenkenntnis das größte Problem der Grundschüler mit Leseschwierigkeiten darstellt: Z.B.„Bei den /sch/ immer, da hab ich Schwierigkeiten‘‘,„Weil da so viele Buchstaben sind und die kann ich nicht so‘‘, Damit im Zusammenhang stehen die Schwierigkeiten mit der Synthese von Buchstaben:„Die kann ich nicht so schnell zusammensetzen“‘. In den Häufigkeiten an 2. Stelle stehen für die Kinder besondere Eigenschaften eines Wortes:„Bei den schweren Wörtern“,
„Weil die schwierig sind‘. Dabei spielt die an 3. Stelle rangierende Wortlänge eine besondere Rolle. Bei der Beantwortung der Frage nach den Schwierigkeiten ist die Anzahl der„Weiß nicht“-Antworten besonders hoch und kann hier nicht weiter aufgeklärt werden.
Zur 3. Leitfrage„Wie kannst Du Dein Lesen verbessern?‘ bringen die Grundschulkinder— falls die Frage im Lesegespräch erkennbar gestellt wurde— hauptsächlich Vorschläge für verbesserte Lesestrategien:„Dann würde ich langsamer lesen‘.„Dann buchstabiere ich mir das Wert vor und dann habe ich hinterher das Wort raus‘.„Dann lese ich mir das leise vor und dann lese ich das meiner Mutter laut vor“.„Wenn man dann nicht weiß, wie die(Buchstaben) aussehen, dann kann man sie aufschreiben und sich im Kopf merken, dann macht man vielleicht nicht mehr solche Fehler“. An 2. Stelle stehen Vorschläge, mehr zu üben:„Ich kann üben“.(Leider waren Einzelheiten in den Übungsstrategien nicht nachgefragt worden.) In einigen Fällen klingen im Übungsvorschlag Inhaltsteile einer Lesestrategie an: „Ich kann das mal üben, jeden Tag so eine Geschichte mit mehreren langen Wörtern“. 3. sind die„Ich-weiß-nicht“‘Antworten zu nennen. Ein Beispiel: „Weiß nicht, bei uns ist ja keiner, mit dem ich lesen üben kann“. Dieses Beispiel leitet über zu der 4. Gruppe von Antworten, in denen Hilfe von außen erwartet wird, von anderen Personen oder z.B. durch den Unterricht:„Üben in der Schule‘,„Laut vorlesen, wenn jemand dabei ist“.
Zusammenfassender Vergleich
Die deskriptive Fragestellung von Gruppenuntersuchungen mittels der Lesegespräche wird hier mit dem Versuch eines Vergleichs der Ergebnisse zwischen den Grund- und Sonderschülern weitergeführt. Dazu dient einmal die statistische Absicherung von Vergleichen in den Antworthäufigkeiten zwischen den beiden Untersuchungsgruppen. Zweitens wird nach Ergebnissen von Clusteranalysen der Antworten zu den Leitfragen
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 3, 1991