innerhalb der beiden Gruppen gefragt, um auf diese Weise evtl. Unterschiede zwischen den Gruppen weiter abzuklären. Auf die Vorläufigkeit dieser ersten vergleichenden Ergebnisse, die sich aus den vorher geschilderten Unzulänglichkeiten in den Auswertungsmöglichkeiten ergeben, sei noch einmal hingewiesen.
Bei einem Vergleich der beiden Gruppen zu den Antworten der ersten Frage nach den Lesestrategien tritt hauptsächlich ein Unterschied des Vorgehens auf der Buchstabenebene auf. Die jugendlichen Sonderschüler geben signifikant häufiger als die Grundschüler eine Strategie an, in der die„bestimmte Reihenfolge der Buchstaben beachtet“ wird, wozu die Verwendung von Lesehilfen wie der Lesefinger gehört. Die Grundschüler sprechen vom„Machen“ oder„Angucken von Buchstaben“, wobei ihnen die Reihenfolge offenbar weniger zu schaffen macht. Anders als die Sonderschüler, die davon nicht sprechen, geben die Grundschulkinder auf die Frage nach den Lesestrategien weiter an, wie sie in der Schule das Lesen lernen und wie sie von Lehrern und Eltern darin unterrichtet werden. Wenn sie von den eigenen inneren Vorgehensweisen etwas sagen sollen, muß danach ausdrücklich gefragt werden.
Diese Vergleichsergebnisse zu Frage 1 werden gestützt durch die Gewichtungen in den Clusteranalysen, die jeweils bei den Grundschul- und Sonderschülern getrennt durchgeführt wurden. Bei den Grundschulkindern ergeben sich 2 Cluster. Cluster 1 ist durch die Strategie des Zusammenlesens von Buchstaben gekennzeichnet, Cluster 2 durch die Strategie des dekodierenden Umsetzens der Buchstaben. Bei den jugendlichen Sonderschülern weist die Clusteranalyse auf zwei andere Strategieschwerpunkte hin, das reihende Zusammenlesen von Buchstaben und das Wiedererkennen durch Angucken. Ziehen wir das Lese-Instruktions-Modell heran, so ergeben sich als erste Hinweise bei den Grundschülern Schwerpunkte in den grundlegenden buchstabenorientierten Lesestrategien, die im Aufbau begriffen sind(bottomup), während die Sonderschüler sich mehr mit der Integration des Dekodie
Emil Schmalohr
rens(bottom-up) und des Verstehens (top-down) auseinandersetzen.
Die Unterschiede zwischen den Gruppen in der 2. Frage konzentrieren sich in der Hauptsache auf die negativen Gefühle, die nur von den Sonderschülern und nicht von den Grundschülern artikuliert werden. Ansonsten haben beide Gruppen es mit Schwierigkeiten auf der Buchstaben- und Wortebene zu tun. Hier wird vor allem die Wortlänge genannt. Die Clusteranalyse bekräftigt bei den Grundschülern in Cluster 1 die Häufigkeit von Problemen mit den BuchstabenLaut-Korrespondenzen und in Cluster 2 die Häufigkeit von Schwierigkeiten mit den Eigenschaften(wie Länge) von Wörtern. Bei den Sonderschülern konzentriert sich die größte Gruppe(Cluster 1) auf eine Verbindung von Problemen in der Buchstaben-Laut-Korrespondenz, der Wortlänge und den Mißerfolgserlebnissen. Die Mißerfolgserlebnisse bei den Sonderschülern fallen in der Clusteranalyse wie beim einfachen inhaltsanalytischen Vergleich der beiden Gruppen am meisten auf. Negative Emotionen spielen bei den Sonderschülern auch bei der Frage nach der Ursache für die Schwierigkeiten eine große Rolle, die als 2. Teil der 2. Leitfrage nur den Sonderschülern gestellt wurde. In der Clusteranalyse werden neben den Mißerfolgserlebnissen noch die„nicht verwendeten Strategien““ deutlich, die von den Schülern als Strategiedefizite erkannt werden.
In der 3. Leitfrage ergeben sich beim Gruppenvergleich keine signifikanten Unterschiede. Die Clusteranalysen bekräftigen die Gewichtungen des Übens und der von außen erwarteten Hilfe sowie die Nennung von bestimmten Lesestrategien, von denen die Schüler in beiden Gruppen Verbesserungen erwarten. Fassen wir die Unterschiede zusammen, so ist für die Grundschulkinder Lesen das Bilden, Umsetzen und Zusammenfügen von Buchstaben, während die Sonderschüler unter Lesen das Beachten der Reihenfolge von Buchstaben auf dem Wege zum Wort verstehen. Im Lesemodell bieten sich für die Grundschüler die Instruktionszellen Bilden und Verbinden von Buchstaben an, für die Sonderschüler die Strategien der Ver
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII; Heft 3, 1991
Metakognitive Instruktionsgespräche bei Leseschwierigkeiten
schmelzung der Buchstaben- und Lautfolgen zu größeren Einheiten. Klippen sind für die Grundschulkinder die Buchstabenkenntnis und für die Sonderschüler eher die Segmentierungs- und Verschmelzungsstrategien. Am besten sind die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen durch die Erfahrungen in der Lesebiographie gekennzeichnet, die sich bei den Sonderschülern in den negativen Emotionen und in der Erwartung einer Hilfe von außen niederschlagen. Wenn die Aussagen der Grundschulkinder nicht in diese Richtung gehen, ist allerdings zu beachten, daß sie im Gespräch nur nach den Schwierigkeiten und nicht nach deren Ursachen(2. Teil der 2. Leitfrage) gefragt worden waren. Gegen das Auftreten negativer Gefühle bei ihnen sprechen die Ergebnisse, wonach sie weniger Hilfe von außen erwarten und sich als weniger hilflos erleben. Von daher gesehen liegen bei den Grundschulkindern mit Leseschwierigkeiten bessere Voraussetzungen für weitere Lernanstrengungen vor als bei den älteren Sonderschülern.
Diskussion
An dieser Stelle werden einige Forschungs- und Praxisfragen angesprochen, die für den Fortgang des Projekts belangvoll sind, wobei im ersten Punkt das Verfahren der Lesegespräche etwas ausführlicher erörtert wird.
(1) Die Fallstudien lassen erkennen, daß die Leser über ihr Vorgehen im allgemeinen in dem Maße Auskunft geben, wie sie in den Lernprozeß eingetreten sind. In den Gruppenuntersuchungen sind allerdings immer wieder„Ich-weißnicht“-Antworten über alle Fragen hinweg zu registrieren, die dieses Ergebnis relativieren. Bei einer näheren Analyse der Tonbandnachschriften zeigt sich jedoch, daß es von der Gesprächsführung abhängt, ob diese Antworten des Lesers stehenbleiben oder aufgeklärt werden und es dann doch noch zu weiteren Aussagen kommt. Unter dem Eindruck dieser Tatsache haben die Teilnehmer in
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