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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Michael Brambring& Heinrich Tröster*

Das Spielverhalten blinder und sehender Kinder

kere Abhängigkeit und die geringere Ei­genständigkeit verwiesen(Burlingham 1961, 1965, 1968, 1972, 1975; Sandler 1963; Wills 1965, 1968, 1970, 1981). Jedoch fehlt es bisher an umfassende­ren empirischen Vergleichen, die diese aus Einzelfallbeobachtungen gezogenen Schlußfolgerungen stützen könnten. Die hohen Übereinstimmungen, die sich in den Berichten zur Entwicklung und zum Spielverhalten blinder Klein- und Vor­schulkinder in der psychoanalytischen Literatur ergeben, beruhen größtenteils auf der wechselseitigen Zitierung der Autoren.

Zusammenfassung und wissenschaftliche Fragestellungen

Die Berichte über das Spielverhalten blin­der Klein- und Vorschulkinder basieren meist auf Einzelfallbeobachtungen oder auf Aussagen einzelner Eltern. Häufig fehlen in den Berichten präzise Angaben über das Alter der Kinder, die Ursache und den Grad der Sehschädigung, so daß eine bewertende Einordnung der berich­teten Befunde schwerfällt.

Trotz der geringen empirischen Basis und trotz der Heterogenität der Stich­proben konvergieren die Aussagen der Autoren und weisen übereinstimmend auf einige wesentliche Unterschiede in der Spielentwicklung blinder und sehen­der Kinder hin.

Literatur

Folgende Sachverhalte werden dabei hervorgehoben:

(1) Blinde Kinder explorieren die Um­gebung und ihre Objekte in geringerem Umfang als sehende Kinder(Sandler& Wills 1965; Wills 1972; Fraiberg 1977; Olson 1981, 1983).

(2) Das Alleinspiel blinder Klein- und Vorschulkinder erscheint häufig repeti­tiv und stereotyp(Sandler 1963; Wills 1972; Parsons 1986; Warren 1984; Free­man et al. 1989).

(3) Blinden Kindern scheint oft das Interesse am Spiel zu fehlen, d.h. sie zei­gen in geringerem Umfang als sehende Kinder spontanes Spiel. Sie müssen in stärkerem Maße als sehende Kinder zum Spiel angeleitet werden(Rothschild 1960; Burlingham 1961, 1967, 1972, 1975; Sandler 1963; Sandler& Wills 1965; Tait 1972c; Wills 1965, 1968, 1970).

(4) Blinde Kinder ahmen nicht oder nur in geringerem Umfang die Routinetätig­keiten primärer Bezugspersonen nach (Sandler& Wills 1965; Fraiberg 1977). (5) Blinde Kinder beschäftigen sich sel­tener als sehende Kinder mit leblosen Gegenständen, und eine Animisierung lebloser Gegenstände ist seltener beob­achtbar(Wills 1979; Warren 1984).

(6) Das Spiel blinder Kinder ist stärker auf Erwachsene bezogen als das sehen­der Kinder; blinde Kinder spielen weni­ger häufig mit gleichaltrigen anderen Kindern(Tait 1972a,b; Wills 1972; Schneekloth 1989).

(7) Symbol- und Rollenspiele treten bei blinden Kindernentwicklungsmäßig deutlich verzögert auf(Sandler& Wills 1965; Wills 1968, 1970; Tait 1972a,b; Fraiberg& Adelson 1973).

(8) Das Spiel blinder Kinder enthält weniger aggressive Komponenten als das sehender Kinder(Burlingham 1961, 1965; Fraiberg 1968; Wills 1970, 1981). Trotz der übereinstimmenden Aussagen bleiben unter wissenschaftlichen Ge­sichtspunkten viele Fragen unbeantwor­tet. Es fehlen vor allem empirische Ver­gleiche zwischen verschiedenen Grup­pen sehgeschädigter und normalsichtiger Kinder, die genaue Angaben über das erstmalige Auftreten und die Art der einzelnen Spielformen bei sehenden und sehgeschädigten Kindern erlauben. Bis­her ist weitgehend ungeklärt, ob sich die Spielanalyse bei blinden Kindern zu diagnostischen Zwecken der Entwick­lungsbeurteilung eignet. Dazu scheint es notwendig, den Zusammenhang zwi­schen der Spielentwicklung und ande­rer Entwicklungsmerkmale wie Kogni­tion, Sprache oder Sozialverhalten zu erfassen. Unter pädagogischen Gesichts­punkten mangelt es an Untersuchungen, die den Einfluß systematischer Spielan­leitung auf die Entwicklung blinder Kin­der analysiert haben. Es stellt sich die Frage, ob die Spielanleitung eine kind­gemäße Form darstellen kann, die An­eignung von Umwelterfahrungen blinder Klein- und Vorschulkinder zu erleich­tern.

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