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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Klaus Esser ­

nicht den Behinderten, seine Defizite oder sein Verhalten isoliert zum Inhalt haben, sondern die Beziehung zu den betreuenden Personen miteinbeziehen. Ihre Haltungen, Wertungen und Reaktio­nen, die in einer Wechselwirkung mit de­nen des Betreuten stehen. Die Beratungs­form des mFG beruht auf der theoreti­schen Grundlage der Kommunikations­theorie(Watzlawik, 1969) und der syste­matischen Theorie(Rotthaus u.a., 1987). Dementsprechend ist bei der Bewältigung arbeitsspezifischer Probleme eine Bera­tungsform zu wählen, die die Persönlich­keit des Mitarbeiters und seine Beziehung zum Behinderten mit zum Gegenstand der Beratung macht.

Die Methodik der klientenzentrierten Gesprächsführung(Rogers, 1972; Wein­berger 1988 et al.) bietet sich für diese Beratungsform an, auch andere Formen der Gruppen- und Einzelberatung sind sinnvoll(Gestaltberatung, TZI).

Auf der anderen Seite ist der Mitarbei­ter nicht nur als betroffene Person zu beraten und in seiner persönlichen Handlungskompetenz zu stärken, son­dern es existiert ebenso ein Bedarf nach fachlicher und berufsbezogener Informa­tion.

Dieser wird häufig durch Fortbildungs­veranstaltungen zu decken versucht. Konkrete, fallbezogene fachliche Hilfen fehlen oft.

Das mFG soll die fallbezogenen Infor­mationen konzentrieren und mit dem zur Verfügung stehenden fachlichen Wis­sen in eine Verbindung bringen(z.B. die Anwendung familiendynamischer Mo­delle auf ein Eltern-Kind-Beziehungspro­blem). Dabei fließen die Informationen der Gruppenmitarbeiter ebenso mit in das Fallgespräch ein wie die Informatio­nen des Beraters, der je nach Notwen­digkeit den Behinderten selbst kennen­lernt und ihn mit Hilfe der ihm zur Ver­fügung stehenden diagnostischen Ver­fahren selbst beurteilt. Das mFG ver­eint demnach die beiden Aspekte der klientbezogenen Fallberatung und der beratenenbezogenen Fallberatung(Ca­plan aus: Balzer/Rolli 1975, S. 140 142). Das Konzept des mitarbeiterzen­trierten Fallgesprächs sucht die persön­liche Betroffenheit(Beziehungsebene)

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Das mitarbeiterzentrierte Fallgespräch

und das fallbezogene, fachliche Interes­se(Sachebene) des pädagogischen Mit­arbeiters als Gesamtheit zu erfassen und nicht isoliert zu behandeln.

Ziele

Die Beratung von Mitarbeitern zielt letztlich auf einen Dritten den Behin­derten. Um bei diesem Veränderungen zu bewirken, setzt die Beratung bei Ver­halten, Einstellung, Motivation, Re­flexion, Planung, bei den Kenntnissen und Fähigkeiten(Klauß 1987, S. 31) des Betreuers an.

Der Mitarbeiter soll mit Hilfe des mFG lernen,

differenzierter, strukturierter und ziel­gerichteter zu beobachten;

die Beobachtungen von Interpretatio­nen und Deutung zu unterscheiden;

das Verhalten des Behinderten als sub­jektiv sinnvoll und folgerichtig einzu­ordnen;

das eigene Verhalten sensibler wahrzu­nehmen, zu beobachten und kritisch zu reflektieren.

Die Mitarbeiter entwickeln gemeinsam mit dem Berater ein Konzept, in dem Vorgehensweisen bzw. Maßnahmen for­muliert werden, die aus dem Beratungs­prozeß entstanden sind und die bei dem nächsten Fallgespräch zugrundegelegt werden. Grundlage dafür ist eine Arbeits­hypothese, die den derzeitigen Stand der Reflexion erfaßt und ebenso wie die Vorgehensweise festgehalten und im Folgegespräch überprüft wird.

Die Mitarbeiter sollen im Umgang mit der Familie bzw. den anderen Bezugs­personen des Behinderten sensibilisiert werden und adäquate Formen des Kon­taktes und der Zusammenarbeit im Sin­ne des Behinderten finden.

Insgesamt soll durch das mFG die Bedeu­tung der pädagogischen Mitarbeiter für das Wohlbefinden und die Entwicklung des Betreuten hervorgehoben werden. Die Souveränität der Mitarbeiter bzw. der Gruppe soll gestärkt werden, damit sie sicherer die Interessen des Betreu­ten innerhalb der Betreuungsbeziehung

wie auch nach außen vertreten können. Die Polarität zwischen Streben nach weitgehender Auflösung der Abhängig­keit im Sinne der Verselbständigung und demfundamentalen Bedürfnis nach Assistenz(Bach 1987, S. 31) verlangt eine ständige lebendige und offene Aus­einandersetzung.

Methoden

Abhängig von der Bereitschaft der Grup­pe und von den Kenntnissen des Beraters haben sich zwei Methoden zusätzlich zu den 0.g. Methoden der klientzentrierten Gruppen- und Einzelberatung als frucht­bar erwiesen:

1. Rollenspiel: Geschilderte Problemsi­tuationen werden von den Mitarbeitern dargestellt. Der Mitarbeiter, der ein Pro­blem artikuliert hat, kann die Rolle des Betreuten oder seine eigene Rolle ein­nehmen. Er kann aber auch nur alsRe­gisseur den Darstellern Anweisungen geben und so sich selbst quasi von außen sehen und erleben. Die Reflexion der Mitspieler und der Beobachter zeigt meist, daß im Spiel Zusammenhänge er­lebt und erfahren werden, die im Ge­spräch kaum zu vermitteln sind. Außer­dem können neue Verhaltensvarianten direkt im Spiel entwickelt und erprobt werden.

2. Videoaufzeichnungen: Die Aufzeich­nungen von Situationen im Umgang der Mitarbeiter mit dem Betreuten inner­halb der alltäglichen Umgebung, die im Fallgespräch gezeigt und besprochen wird, hat Klauß(1987, S. 51)direkte Supervision genannt. Die Konfronta­tion mit dem eigenen Verhalten ist bei dieser Methode noch unmittelbarer als im Rollenspiel, so daß ein hohes Maß an Vertrautheit und Sicherheit in der Grup­pe und zum Berater vorhanden sein muß, um nicht Abwehr auszulösen.

Ohnehin ist bei allen genannten Arbeits­formen viel persönliche Unterstützung, Einfühlung und Wertschätzung durch den Berater notwendig, um den Schutz der einzelnen Person des Mitarbeiters zu ge­währleisten.

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVI, Heft 4, 1990