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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Gruppe angepaßt werden. Unter Umstän­den kann durch konkrete Hilfestellung (z.B. der Erstellung von Zeitplänen für bestimmte Maßnahmen) der Mitarbeiter angeleitet werden, angestrebte Ziele zu erreichen. Der Einsatz von Praktikanten, Zivildienstleistenden und nichtausgebil­deten Mitarbeitern ist zu berücksichti­gen, die nach kurzer Zeit die Aufgaben eines ausgebildeten Mitarbeiters ausfül­len sollen. Die Delegation von Verant­wortung und die Aufteilung von Aufga­ben erfolgt dementsprechend auf der Grundlage der Kenntnis des einzelnen Mitarbeiters.

Ein weiterer Aspekt bei der Durchfüh­rung von mFG durch Berater, die zu­gleich Vorgesetzte sind, ist der der Auf­rechterhaltung der pädagogischen Arbeit in Krisenzeiten. Dies ist auch ein Unter­scheidungskriterium zur Gruppensuper­vision durch externe Supervisoren, die an Bedingungen geknüpft ist(die in Fra­ge gestellt wird, wenn ein oder mehrere Gruppenmitglieder die Teilnahme ver­weigern). Mitarbeiterbezogenes Fallge­spräch heißt in dieser Situation, die im Gespräch spürbaren Spannungen zu re­gistrieren und auf diesem Hintergrund auf die fallbezogen notwendigen Ar­beitsschritte hinzuweisen. Der Berater benennt die Aufgaben und nimmt auf die Verteilung der Aufgaben Einfluß. Evtl. werden Kontrollmechanismen(der Begriff Kontrolle ist in der Beratung nicht sehr beliebt, er kann daher durch dassanftere Feed-Back ersetzt wer­den) verstärkt. Ebenso sind eindeutige Absprachen wer macht wann, wie, was, mit wem hier am Platz.

Wenn die Gruppe sehr heterogen ist und einzelne starke Persönlichkeiten das Ge­spräch bestimmen, ist es sinnvoll, be­stimmtestille Mitarbeiter direkt an­zusprechen und sie nach ihrem Eindruck oder ihrem Einverständnis zu fragen, um bestimmten Polarisierungen entgegenzu­wirken. Es ist erstaunlich, wie sich das Bild einer Alltagssituation oder eines Betreuten verändert, wenn Mitarbeiter, die eher zur passiven Teilnahme neigen, stärker in das Gespräch einbezogen wer­den.

Klaus Esser

Der rote Faden Arbeitsschritte und Gesprächsverlauf

Die Einhaltung einer inhaltlichen Struk­tur ist für die Effizienz eines Fallge­sprächs ein wichtiges, wenn nicht das wichtigste Kriterium. Hier geht es nicht darum, einem schematischen Ablauf zu folgen, weil das dem Protokollanten die Arbeit erleichtert. Es geht vielmehr dar­um, die Voraussetzungen herzustellen, um kreative, innovative Prozesse beim einzelnen Mitarbeiter zu unterstützen. Wie soll das gehen? Und was hat das mit dem ‚roten Faden zu tun? Der pädago­gische Alltag wird vom gegenseitigen Verhalten der Betreuten und ihrer Be­treuer bestimmt. Nur ein verschwindend geringer Bestandteil des Verhaltens wird von bewußten Entscheidungen und Mo­tiven gesteuert und nur ein noch kleine­rer Teil kann als ‚gezielte pädagogische Intervention bezeichnet werden. Der we­sentliche Anteil des Verhaltens ist intui­tiv, spontan und impulsiv, also: subjek­tiv. Die Subjektivität ist kein Nachteil. Sie ist die Grundlage jeder Beziehung und damit auch der pädagogischen Ar­beit, die ohne Beziehung nicht möglich ist. Hier setzt das mFG an: Es wird da­von ausgegangen, daß eine Verhaltens­veränderung des Mitarbeiters nicht da­durch erreicht werden kann, daß vor­dergründig über Verhaltensalternativen diskutiert wird. Viele Gespräche dieser Art beginnen mit:Was soll ich denn machen, wenn der XY mich schlägt(mir wegläuft, nicht essen will usw.)?. Die gewünschte Reaktion, Verhaltensweisen vorzuschlagenHaben. Sie es schon mal mit ignorieren, festhalten, time-out usw. versucht? ist naheliegend. Der Mitarbeiter kann dann im Gespräch sei­ne erheblichen Bemühungen unter Be­weis stellenHabe ich alles schon aus­probiert, XY reagiert nicht darauf! ohne den sicheren Boden seiner prakti­schen Erfahrungen verlassen zu müssen. Das Gespräch endet mit der Gewißheit des Mitarbeiters, alles nötige getan zu haben, sich nichts vorwerfen(lassen) zu müssen, kombiniert mit dem die eigene Sicherheit krönenden Empfindungen Der Berater weiß es auch nicht besser, er hat ja auch vom Alltag keine Ahnung!

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVI, Heft 4, 1990

- Das mitarbeiterzentrierte Fallgespräch

Es gibt eine ganze Reihe von Variationen dieses Kommunikations-Spiels. Kennzeichnend für diese von beiden Sei­ten falsch verstandene Form der Bera­tung ist, daß die wesentlichen Arbeits­schritte nicht eingehalten wurden. Die innere Beteiligung des in der Interaktion mit dem Betreuten stehenden Mitarbei­ters bleibt aus.

Notwendig; aber für den Betroffenen ent­täuschend ist das Verweigern direkter Ratschläge oder Verhaltensalternativen durch den Berater. Der der Anfrage zu­grundeliegende Wunsch des Mitarbeiters nach Anerkennung und Bestätigung ist bei diesen Fragestellungen zu berück­sichtigen. Der andere Weg führt über die Auseinandersetzung mit der eigenen Person, löst Betroffenheit aus und ver­unsichert, bevor echte Veränderungen möglich werden. Nicht immer besteht die Bereitschaft und die Fähigkeit zur aktiven Mitarbeit bei diesem Prozeß. Ein Gruppenmitarbeiter meinte,die(mitar­beiterzentrierten) Fallgespräche sind an­strengender, weil man selber mitdenken muß.

1. Schritt: Informationen

Mit Informationen sind hier nicht aus­schließlich die sog. objektiven Daten ge­meint. Vielmehr ist mit Information all das gemeint, was an Wissen, Erfahrun­gen, Beobachtungen und Eindrücken bei den beteiligten Personen bezüglich des Behinderten vorhanden ist.

Handelt es sich um ein erstes Fallge­spräch, werden die ersten Kontakte im Vordergrund stehen und auch die Erfah­rungen mit den Eltern oder Angehörigen. Handelt es sich um ein Folge-Fallge­spräch, dann treten aktuelle Beobach­tungen in den Vordergrund und die Ein­drücke von Veränderungen kommen hin­zu. Diese Informationen sind zwangsläu­fig subjektiv.

Aufgabe des Beraters in dieser Phase ist die Wahrnehmung der Gruppendynamik, damit alle Mitarbeiter ihre Erfahrungen einbringen und sich nicht eine Sichtweise zu schnell durchsetzt. Kontroverse, widersprüchliche oder ergänzende Schil­derungen werden unterstützt. Auseinan­

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