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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Editorial

Die vorliegende Ausgabe derHeilpäd­agogischen Forschung wurde als Ge­meinschaftsaufgabe von Mitarbeitern des Lehrstuhls Allgemeine Heil- und Sozial­pädagogik II der Universität zu Köln er­stellt. Mit Lehrstuhl I gleichen Namens stellt die Kölner Kombination von All­gemeiner Heilpädagogik und Sozialpäd­agogik in je einem Lehrstuhl unseres Wis­sens weltweit eine Einmaligkeit dar. Sie fordert uns heraus ,heilpädagogische Fra­gestellungen in dasnormal-pädagogi­sche Denken der Sozialpädagogik auch auf Nichtbehinderte zu übertragen und in Umkehrung der Blickrichtung norma­le pädagogische Bedürfnisse Behinderter vor der Verengung durch rein spezialpäd­agogische Perspektiven zu bewahren. Unsere Forschung und Lehre orientiert sich an vier Dimensionen, die wir zur Strukturierung sowohl der Heilpädago­gik als auch der Sozialpädagogik definiert haben. Ihre Entwicklung geht zurück auf eine Konferenz des Seminars im Jah­re 1981 in Wallhausen/Bad Kreuznach, an der maßgeblich unser Emeritus Prof. Dr. Lenzen beteiligt war.

Die Dimensionen werden folgenderma­ßen überschrieben:

I. die praktische und didaktische Di­

mension;

II. die historische und vergleichende Di­mension;

II. die anthropologische und ethische Dimension;

IV. die wissenschaftstheoretische, theo­retische und methodologische Di­mension.

Es ist nicht möglich, im Rahmen einer Ausgabe einer Zeitschrift die ganze Bandbreite der im Seminar diskutierten Fragestellungen widerzuspiegeln. Wir ha­ben uns daher bei der Konzeption des vorliegenden Heftes von vornherein be­schränken müssen. Kriterien der Auswahl waren in gleichem Maße die Intensität, mit der die Themenbereiche zur Zeit dis­kutiert werden, und zwangsläufig die den jeweiligen Mitarbeitern zur Ver­fügung stehende Zeit.

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG

Neben den durch die in diesem Heft vorliegenden Texte widergespiegelten Forschungsschwerpunkten werden wei­tere von Mitarbeitern des Seminars kon­tinuierlich bearbeitet. Ihre Vorstellung wäre erforderlich, wenn ein abgerundetes Bild von der Tätigkeit des Lehrstuhls ge­zeichnet werden sollte. An dieser Stelle sollen sie wenigstens erwähnt werden:

die Interkulturelle Pädagogik, inner­halb derer wir sowohl schulische und außerschulische Erziehungsaufgaben im Zusammenleben mit Migranten als auch in Kooperation mit dem Ser­vice Civil International(SCI) e.V. den interkulturellen Jugendaustausch als Form der Friedenserziehung the­matisieren(Veröffentlichung: H. Buchkremer& M. Emmerich(Hrsg.) (1987). Ausländerkinder. Hamburg: Rissen);

die Umwelterziehung(zur Orientie­rung s. I. Blanke& H. Buchkremer (Hrsg.)(1986). Umwelt und Schule. Frankfurt a.M.: Peter Lang);

die Spielpädagogik, für deren prakti­sche Einlösung der Sonderschullehrer im Hochschuldienst Werner Reuter zuständig ist; sie erfuhr 1988 und 1989 überregional beachtete Höhe­punkte in Form des je einwöchigen SommertheatersPusteblume*, das von zahlreichen Sonderschulen aus Nordrhein-Westfalen gestaltet wurde.

Doch zurück zu den in diesem Heft vor­gestellten Texten:

In einem vor nunmehr vierzehn Jahren veröffentlichten Aufsatz(Buchkremer, H.(1975)). Ansatz einer Metatheorie der Motivation für Sondererziehung, Heil­pädagogik, Sozialpädagogik und Sozial­arbeit. Archiv für angewandte Sozialpäd­agogik, 4, 121-132) beklagte ich den Mangel an Arbeiten, die pädagogische Sonderzuwendung auch für Behinderte prinzipiell zu begründen versuchen. Ich schrieb:Für die pädagogischen oder le­benspraktischen Spender von Zusatzhil­fe sicht bei der Unverbindlichkeit der Motivtheorie die Lage ähnlich desolat

Band XV, Heft 3, 1989

aus... Letztlich stellt die Zufälligkeit der Mehrheitsmeinung oder des politi­schen Diskurses ihre Leistungen unent­wegt in Frage: Fällt nämlich der Gesetz­geber, wie bereits mehrfach beschworen, die tödliche Definitionunwerten Le­bens, so können die Hilfeempfänger von gestern zu Opfern heutiger Euthana­sie werden. Es dürfte klar geworden sein, daß der Zu­stand der Offenheit im Sinne der Nicht­festgelegtheit von Sollensbestimmungen hinsichtlich des menschlichen Lebens, das der Zusatzhilfe der Erziehung oder Lebenspraxis bedarf, eine Not darstellt. Eine gemeinsame Festlegung würde folg­licherweise die Not wenden. Sie ist dem­nach mit Notwendigkeit zu erstreben (a.a.0., 127). In diesen Monaten wird innerhalb der Pädagogik und insbesondere der Heil­und Sozialpädagogik unübersehbar deut­lich, daß das genannte Desiderat einer prinzipiellen Begründung pädagogischer Unterstützung Behinderter bisher nicht eingelöst wurde. Mehr noch: Innerhalb der Sonderpädagogik wird sogar über das Recht, Behinderte zu töten, disku­tiert, das uneingeschränkte Recht Behin­derter auf Leben in Frage gestellt. Auch das vorliegende Heft beginnt bezeichnen­derweise mit vier Abhandlungen zu die­ser Frage. Ohne schon hier auf deren Inhalte ein­zugehen, möchte ich ihren engeren for­malen Entstehungskontext kurz umrei­Ben: Sic geben eine schriftliche Auseinander­setzung zwischen Christoph Anstötz und mir wieder. In etwa machen sie deutlich, wie ansonsten unsere Diskussionen ver­laufen. Allerdings muß ich den Vergleich einschränken: Erstens handelt es sich bei den Abhandlungen um einen Dialog bei unseren mündlichen Diskussionen sind meistens mehrere Mitglieder des Lehrstuhls vertreten, so daß die Polari­sierung sich nicht so zuspitzt. Anderer­seits bewirkt die Schriftlichkeit des hier Vorliegenden eine höhere Verantwort­lichkeit der Autoren, als dies in einer

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