Iris Bartkiewicz* Die Rawlssche Theorie
falls in einem bestimmten Lebensabschnitt, etwa den ersten Schuljahren‘‘ (Rawls 1975, 121).
Allerdings ist mit diesem Prinzip nicht die Hochbegabtenförderung ausgeschlossen. Die Hochbegabtenförderung, die im übrigen auch Gegenstand der Heilpädagogik sein kann, ist dann möglich und eralubt, wenn durch diese Förderung in der Konsequenz die Position der am meisten Benachteiligten angehoben werden kann(Porter 1975, 17f.). Dies bedeutet, daß die hohen Ausbildungskosten z.B. für ein Medizinstudium nur dann gerechtfertigt sind, wenn durch die erworbenen Fähigkeiten der Geförderten die Behinderten Vorteile erlangen.
Der zweite Teil des Differenzprinzips betont den Aspekt der Chancengleichheit und der gleichen Gegebenheiten für alle. Das Selbstwertgefühl ist der letzte Wert, den die Gesellschaft jedem einzelnen Individuum zugesteht, und dies findet auch Eingang in die Sonder- und Heilpädagogik(Special Education 77, 1285).
Dieser Punkt, daß alle Kinder das gleiche Anrecht auf Erziehung und Bildung haben und dies jedem zur Verfügung gestellt werden muß(vgl. staatliche Förderungsprogramme), sieht Nowak unter dem Aspekt der fairen Chancengleichheit auch von John Rawls unterstützt (Nowak 1976, 894).
Insofern stellen sich„Probleme besonderer Gesundheitsfürsorge und die Behandlung von Schwachsinnigen‘‘ nicht (Rawls 1975, 118). Im Fall von schwerster geistiger Behinderung etwa muß an die Stelle von Bildung z.B. das Üben von einfachsten Bewegungsabläufen treten(Murphy 1984, 11).
Die Maximin-Regel
Die Vertragspartner sind sich durch die Maximin-Regel bewußt, daß sie aufgrund der Rawlsschen Prinzipien zwar kein persönliches Optimum erreichen können, ihnen aber dafür auch in der Position z.B. eines Behinderten noch ein Maximum minimorum gesichert ist. Damit ist eine Kooperation auf hoher Ebene für alle Beteiligten gesichert. Das
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Nettoeinkommen des F Kosten der Umverteilung F 100
Nettoeinkommen des B
0 steigende Steuersätze für 7)
Abb. 1: Laffer-Kurve vgl. Recktenwald 1983, 228
Unterschiedsprinzip könnte z.B. Pate gestanden haben bei der Idee im Kanastaspiel, daß Spieler mit einer geringen Punktzahl früher herauskommen können bzw. in der Wirtschaft bei der Idee einer fairen„Kompromißlösung zwischen egalitärer und elitärer, streng leistungsbezogener Einkommensverteilung‘(Koch 1982, 32). Dieses Prinzip will ja vermitteln„zwischen dem Streben nach ökonomischer Effizienz einerseits und nach Verteilungsgerechtigkeit andererseits. Damit trägt es zum wechselseitigen Vorteil aller bei‘‘(Koch 1982, 35). Die folgende Graphik, die die sogenannte Laffer-Kurve darstellt, zeigt dies inhaltlich gefüllt am Beispiel des Verhältnis’ von Steuersatz zu Nettoeinkommen.
B arbeitet und kann das Einkommen 0B (100) erzielen. F könnte das gleiche Einkommen OF erlangen, ist aber z.B. krank bzw. behindert und soll aus dem Einkommen des B unterstützt werden. Wie soll das Einkommen von B umverteilt werden?
Die Gerade OCH drückt das ethische Prinzip der Gleichverteilung aus. In H und C wird das Einkommen von B zur
HEILPÄDAGOGISCHIE FORSCHUNG
Hälfte(S0) weggenommen und F übertragen, ohne daß die Arbeitsleistung (100) des B durch diese Umverteilung berührt wird. Was die staatliche Redistribution selbst kostet, wird nicht erfaßt, so daß F um so weniger Hilfe erhält, je ineffizienter die Erhebung, Verwaltung und Übertragung der Transfers durch den Staat ist.
Die Kurve BDCO drückt aus, wie der Arbeitseinsatz von B und damit sein Einkommen und der Transferanteil durch steigende Steuersätze beeinflußt werden. Ohne Steuern erzielt B ein Einkommen von OB, was dem streng leistungsbezogenen Prinzip entspricht. Bei zunehmender Abgabe sinkt der Einkommensreiz des B.
Nach Rawls’ Grundsatz der fairen Gerechtigkeit ist D der Punkt, an dem F (der am schlechtesten Gestellte) am besten versorgt wird. Eine weitere Erhöhung des Transfers führt zwar zu noch gleichmäßigerer Verteilung zwischen B und F, jedoch auf geringerem Niveau für beide(vgl. Recktenwald 1983, 228).
Die Vertragspartner würden diesem Wissen folgend dem Ausgleichsprinzip zustimmen, das die Förderung der Benach
Band XV, Heft 3, 1989