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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Der Progressive-Matrices-Test bei Volks­und Hilfsschulkindern(1964)

Ein Beitrag zum Problem des anschaulichen Denkens

und der Intelligenzdiagnostik

Von Karl Josef Klauer

Inhalt: I. Die Struktur des Tests II. Anordnung und Durchführung der Versuche III. Beobachtungen und Erfahrungen IV. Darstellung der Ergebnisse: a) Ver­gleich zwischen Volks- und Hilfsschulkindern b) Das Lebensalter c) Serien- und Aufgabenanalyse d) Ge­

schlechtsunterschiede e) Überprüfung der originalen Normwerte V. Psychologisch-heilpädagogische Wür­digung: a) theoretisch b) praktisch Zusammenfas­sung- Anmerkungen Literatur

Der von J.C. Raven erstmals 1949 pu­blizierte, inzwischen zweimal revidierte und vielfach überprüfteColoured Pro­gressive Matrices-Test(PMT) verdient aus mehreren Gründen das Interesse so­wohl der Psychologen als auch der Heilpädagogen'. Im Ausland gewinnt er zunehmend an Beliebtheit, nachdem sich erwies, daß er sowohl in der wissen­schaftlichen Überprüfung als auch in der praktischen Bewährung zu befriedi­genden Ergebnissen führt(Maher). In Deutschland wird dieser Test zwar Öf­ters schon gebraucht, aber es sind nur wenige Veröffentlichungen hierzu er­schienen(Seeger, Stern, Hiltmann, Altenmüller, Hofmann).

Der PMT erscheint für den Heilpädago­gen besonders interessant. Als nicht­verbaler, sprachunabhängiger Test eig­net er sich vorzüglich zur Untersuchung taubstummer, sprachlich gestörter oder retardierter oder auch nur sprachlich ungewandter Kinder, die bei anderen Testverfahren im Vergleich zu sprach­lich normal leistungsfähigen meist zu schlecht bewertet werden. Da dieser Test das Niveau der intellektuellen Entwick­lung erfassen soll, ist er ferner zur Un­tersuchung normaler sowie minderbe­gabter Kinder gedacht. Wegen seiner besonderen Artung bewährt er sich auch

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bei den verschiedenen Formen von Köperbehinderung, während nur Blinde und Sehschwache von vornherein aus­geschlossen bleiben. Der Test findet dar­über hinaus das Interesse des Psycholo­gen, weil er das Ausmaß des intellektu­ellen Abbaus bei alten Menschen und bei organisch-pathologischen Verände­rungen abzuschätzen erlauben soll.

I. Die Struktur des Tests

Der PMT ist in zwei verschiedenen, aber nahezu gleichwertigen Ausgaben kon­struiert: als Buchform, von der hier die Rede ist, und alsform-board, nach der Art eines Lottospiels. Letztere Form wird für vorschulpflichtige und schwer­schwachsinnige Kinder empfohlen.

a) Die Testaufgaben

Alle Aufgaben besitzen eine gemeinsa­me Grundstruktur: Jedes Blatt des Hef­tes zeigt ein großes, prägnant gezeich­netes(sinnfreies) Muster, bei dem rechts unten ein Ausschnitt fehlt. Die Muster sind, mit Ausnahme von 5 Aufgaben gegen Ende der letzten Serie, in kräfti­

gen bunten Farben gehalten und wirken sehr ansprechend.

Die Aufgabe des Probanden besteht dar­in, den fehlenden Ausschnitt, die Lücke in der Gestalt, zu ergänzen. Hierfür ste­hen 6 umrißgleiche Auswahlstücke zur Verfügung, von denen eines das richti­ge Muster trägt, während die übrigen teilweise sehr prägnant verschiedene, teilweise verführerisch ähnliche Muster zeigen. Der Proband braucht nur auf das richtige Ergänzungsstück zu tippen oder dessen Nummer zu nennen bzw. hin­zuschreiben. In der Testtheorie spricht man hierbei von Mehrfach-Wahlauf­gaben, die wie Lienert ausführt mit guten Gründenin der modernen Test­konstruktion absolut vorherrschen: Die Wahrscheinlichkeit, zufällig die richti­ge Lösung zu finden, ist erheblich ver­mindert, und dennoch bleibt die Durch­führung wie die Auswertung objektiv und ökonomisch(S. 31).

Die Muster der Aufgaben sind verschie­den, doch bei allen handelt es sich nicht um konkrete Abbildungen, sondern um sinnfreieabstrakte Figuren. Es ist je­doch möglich, verschiedene Aufgaben­gruppen zu unterscheiden:

1) Die einfachsten Aufgaben zeigen über die ganze Vorlage ein teppichähn­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XX, Heft 4, 1994