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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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liches Muster, wobei ein fehlender Ausschnitt einzufügen ist.

2) Andere Aufgaben zeigen auf einem ebenfalls farbigen Untergrund Lini­en, die zusammen eine Gestalt erge­ben, z.B. eine Ellipse, wobei ein Teil­stück dieser Gestalt ausgelassen und richtig zu ergänzen ist.

3) Ferner gibt es Vorlagen, bei denen das Muster nach einer Seite hin asym­metrisch ist, so daß Rechts-Links­Vertauschungen und andere Raum­orientierungsfehler bei der Ergänzung leicht resultieren können.

4) Eine wichtige Gruppe von Aufgaben tritt erst gegen Schluß der letzten Se­rie in prägnanter Form auf und leitet damit über zu den Aufgaben der Er­wachsenenserien: Nach dem Vorbild von zwei Figuren ist analog für eine dritte die vierte zu finden. Beispiel: Unter einem auf die Spitze gestellten Quadrat ist ein ebensolches gezeich­net, das jedoch in der Mitte einen dicken Punkt trägt; neben demlee­ren Quadrat steht nun einleerer Stern und darunter ist ein Stern mit einem Punkt in der Mitte zu ergän­zen.

Wie bei manchen anderen Niveautesten ist auch beim PMT keine Zeitbegrenzung vorgesehen. Es geht nicht darum, be­sonders schnell zu arbeiten, sondern gründlich und möglichst richtig, so daß der Proband in Ruhe zeigen kann, bis zu welchem Niveau er solche Aufgaben zu lösen vermag. Ein solcher Test vermag gerade auch emotional Instabilen in be­sonderer Weise Rechnung zu tragen.

b) Der Testaufbau

Der Test setzt sich aus drei Serien(A, AB, B) von je 12 Aufgaben(Matritzen) zusammen. Insgesamt stehen also 36 Aufgaben zur Verfügung. Die drei Se­rien für sich genommen werden zuneh­mend schwieriger. Außerdem soll sich der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben innerhalb der Serien zunehmend stei­gern daher der NameProgressive Matrices.(Wir werden zeigen können, daß dieses Ziel nicht ganz erreicht wor­den ist.) Der Autor beabsichtigte jedoch

Karl Josef Klauer+ Der Progressive-Matrices-Test(1964)

A

nicht, mit der ersten Aufgabe der näch­sten Serie unmittelbar an den Schwie­rigkeitsgrad der letzten Aufgabe der vor­ausgegangenen Serie anzuschließen. Weil in der neuen Serie vorwiegend an­ders strukturierte Probleme angeboten werden als bisher, beginnt jede Serie zur Einübung wieder mit leichten Auf­gaben, um dann die Schwierigkeit zu­nehmend zu steigern.

Es ist daher notwendig, jedem Kind alle 36 Aufgaben vorzusetzen.

Der PMT kann im Einzelversuch und im Gruppenversuch durchgeführt wer­den. Im letzteren Falle braucht jedes Kind ein Testheft sowie einen Protokoll­bogen, auf dem die Nummer des ge­wählten Auswahlstücks einzutragen ist. Die Untersuchungen, über die unten zu berichten ist, wurden im Einzelversuch durchgeführt.

c) Validität und Reliabilität

Die Frage, was der PMT eigentlich prüft und wie gut er dies prüft, läßt sich gar nicht so einfach beantworten. Ursprüng­lich dürfte er wohl als selbständiger und kompletter Intelligenztest konzipiert worden sein zur Prüfung des g-Faktors

(d.h. der allgemeinen Intelligenz nach

Spearman). Indes werden die späteren

Äußerungen Ravens hierzu vorsichtiger,

ja er lehnt es sogar ausdrücklich ab, den

PMT als allgemeinen Intelligenztest fir­

mieren zu lassen. Seiner Meinung nach

erfüllt er diese Funktion, da er ein nicht­verbaler Test ist, nur in Verbindung mit einem Wortschatztest.(Inzwischen hat

Raven einen englischen Wortschatztest

entwickelt, der mit dem PMT ausgelie­

fert wird.) Analog darf man seiner Mei­nung nach die DiagnoseSchwachsinn

im Sinne der(britischen) Gesetzgebung

nur in Verbindung mit einem Wort­

schatztest stellen.

Wir wollen nun kurz die Angaben Ra­

vens zusammenstellen und ergänzend

interpretieren zur Frage, was der Test prüft.

1) Der PMT prüft das produktive Den­ken im Gegensatz zum Wortschatz­test, der wie jede Kenntnisprüfung nur reproduktives Denken erfaßt. Al­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XX, Heft 4, 1994

lerdings wird nicht der Gesamtbereich des produktiven Denkens erfaßt, viel­mehr nur das problemlösende Den­ken und dies wiederum nur zu ei­nem Teil.

2) Raven spricht von der Prüfung der kognitiven Prozesse im Sinne des an­schaulichen, wahrnehmungsimma­nenten Denkens. Hierbei werden ins­besondere Gestaltgesetzlichkeiten von Bedeutung: Gliederung, Prägnanzten­denz, Tendenz zur Schließung der Gestalt usf.

3) Bei den schwierigeren Aufgaben und zumal bei der Erwachsenenserie wird das analoge Schlußfolgern geprüft.

4) Der PMT erfordert auf allen Stufen aufmerksame Beobachtung und kla­res Denken.

5) Mit diesen Anforderungen(1. bis 4.) erfaßt der PMT das gegenwärtige Ni­veau der geistigen Entwicklung oder die derzeitige Kapazität der intellek­tuellen Aktivität.

6) Der PMT prüft auf verschiedenen Begabungs- und Entwicklungsstufen Verschiedenes.

7) Die Leistungen im PMT sind sowohl von der angeborenen Begabung als auch von Einflüssen der Umgebung und der Kultur abhängig.

Zu den beiden letzten Punkten erscheint

eine kleine Erläuterung zweckmäßig.

Stellt man Kindern verschiedenen Bega­

bungs- oder Entwicklungsstandes die

gleiche Aufgabe, so werden sie in ver­schiedener Weise an die Lösung her­angehen, und es werden je nach dem

Entwicklungsstand eigenartige Funk­

tionskomplexe beansprucht. Daher prü­

fen dieselben Aufgaben auf verschiede­nem Niveau nicht dasselbe. Dieser noch nicht allgemein bekannte Sachverhalt wurde von H. Werner mit dem Begriff der analogen Funktion theoretisch um­rissen; seit einigen Jahren kommen auch faktorenanalytische Studien zu ähnlichen

Ergebnissen(Burt, Wewetzer, Lienert).

Wie nun im einzelnen die intellektuel­

len Funktionsbündel und Prozesse auf

den einzelnen Stufen aussehen, ist noch längst nicht hinreichend erforscht. Der

Verfasser hat unlängst jedoch auf eine

wichtige und häufig übersehene Feh­

lerquelle hingewiesen: Stellt man Kin­

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