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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Karl Josef Klauer+ Der Progressive-Matrices-Test(1964)

stück. Bei A8 beginnt ein neuer Auf­gabentypus; deshalb dürfte diese Aufga­be bewußt leichter gehalten sein. Serie AB bringt eine kurze Einübungs­phase, dann aber stark ansteigende Schwierigkeiten. Die Aufgaben 10 und 11 sind etwas zu leicht. Bei Serie B fehlt praktisch die Ein­übungsphase. Hier sind die Aufgaben 6 und 10 zu leicht. Die hier gefundene Schwierigkeitsver­teilung stimmt im wesentlichen mit den Ergebnissen von Raven überein. Des­halb erscheint auch eine weitergehende Item-Analyse zur Ermittlung der Trenn­schärfen nicht erforderlich, weil die gra­phischen Darstellungen Ravens auch die­se näherungsweise beurteilen lassen. Der Vergleich zwischen Volks- und Hilfsschulkindern zeigt deutlich, daß beide Gruppen den gleichen Fehlerten­denzen folgen. Die Schwierigkeitsgrade steigen und fallen parallel, Erfolg und Mißerfolg sind in gleicher Weise ver­teilt. Daraus muß geschlossen werden, daß Hilfsschulkinder bei diesen Auf­gaben qualitativ gleichartig problem­lösend denken, wenn auch mit geringe­rem Gesamteffekt.(Ein Vergleich zwi­schen diesen Hilfsschulkindern und den annähernd leistungsgleichen jüngeren Volksschulkindern brachte noch gerin­gere Differenzen zwischen beiden Grup­pen.) Die Überprüfung der falsch eingesetz­ten Auswahlstücke, also der Fehler, zeig­te, daß 1) die Auswahlstücke in der bisherigen Form des Tests sehr verschieden at­traktiv, verschieden verführerisch sind (was nicht sein sollte) und 2) keine wesentlichen Unterschiede zwi­schen Volks- und Hilfsschulkindern festgestellt werden können. Die mehrfach geäußerte Vermutung, be­stimmte Positionsfehler könnten auf ge­ringere Intelligenz schließen lassen, wur­de von Brendan A. Maher widerlegt. Zwischen College-Studenten und debilen Jugendlichen fanden sich keine signi­fikanten Differenzen bezüglich der Po­sition der Fehler im Sinne der Hypothe­se. Die Position des Fehlers ist kein Sym­ptom für primitives Denken, d.h. Debile wählen nicht signifikant häufiger be­

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stimmte Positionen(z.B. das erste oder das letzte Auswahlstück).

Wir schließen uns daher der Auffassung von Maher an, daß der PMT bislang keine Möglichkeit eröffnet, um über die Feststellung des Prozentranges hinaus eine gesicherte qualitative Fehleranalyse durchführen zu können, denn die Quali­tät der Fehler differenzierte nicht zwi­schen beiden Schülergruppen. Zusammenfassend muß also festgehal­ten werden: Die Schwierigkeits- und Fehleranalyse brachte keinerlei Hinwei­se, daß die Minderleistungen der Hilfs­schulkinder durch primitiveres Denken bedingt sein könnten. Die meisten Hilfs­schulkinder können demnach kaum im eigentlichen Sinne entwicklungsrück­ständig sein, was die hier geforderten Formen des anschaulichen Denkens be­trifft; denn Leistungsunterschiede sind auch auf gleichem Entwicklungsniveau möglich?.

d) Geschlechtsunterschiede

Wir fanden beim PMT geringfügige Geschlechtsunterschiede. Um diese zu demonstrieren, sollen die Leistungen der Geschlechter, nach Schulart getrennt, der Altersstufen 8;0-11;5 verglichen wer­den. Von der Summe der möglichen Lö­sungen wurden richtig gelöst in der

Volksschule Hilfsschule Knaben 66,6% 51,3% (N= 103)(N= 103) Mädchen 62,8% 47,2% (N= 97)(N=97) Differenz 4,1% 3,8%

Folgende Tabelle 4 zeigt die Differenz der Durchschnittswerte auf den Alters­stufen; negatives Vorzeichen bedeutet Überlegenheit der Mädchengruppe.

Die Unterschiede sind durchweg sehr gering, und es zeigt sich keine Tendenz in bezug auf das Lebensalter. Schließ­

lich finden wir auch keine Stütze für die Behauptung von Arno Fuchs, daß in der Hilfsschule das intellektuelle Niveau der Mädchen merklich schwächer sei als das der Knaben(S. 275).

Zur Interpretation: Die Unterschiede sind so geringfügig, daß sie praktisch ver­nachlässigt werden können. Daher ist es völlig unwahrscheinlich anzunehmen, den Mädchen würden diese Aufgaben mehr Schwierigkeiten bereiten, so daß sie deshalb weniger leistungsfreudig wa­ren(vgl. obenBeobachtungen und Er­fahrungen). Wahrscheinlich liegen die Dinge gerade umgekehrt: Mädchen in­teressieren sich für diese Aufgaben et­was weniger und daher leisten sie auch etwas weniger.

e) Überprüfung der originalen Normwerte

Zu einem Test dieser Art gehören not­wendig Normwerte, die die individuel­len Leistungen mit denen einer Norm­gruppe zu vergleichen erlauben. Raven wählte, wie oben bereits dargestellt, hier­zu die Prozentrang-Methode. Als Ver­gleichsgruppe wählte der Autor die räumlich begrenzte Stichprobe von 608 Schulkindern aus der Stadt Dumfries, Schottland. Weitere Angaben über diese Gruppe fehlen im Handbuch. Nach Ermittlung des Prozentranges(PR) englischpercentile kann man im Anschluß an Raven das Kind einerstufigen Intelligenzgrad-Skala zuordnen (I= überragend hohe Intelligenz; V= Schwachsinn). Die Verteilung der PR­Bereiche auf die 5 Intelligenzgrade folgt dem Modell der Normalverteilung und ist in den beiden ersten Zeilen der Ta­belle 5 wiedergegeben. Von den 400 Volks- und Hilfsschul­kindern im Alter von 8;0-11;5, von die­sen 200 Kindern je Schulart haben wir 1) aufgrund der originalen Dumfries­Normen den jeweiligen PR ermittelt

Tabelle 4: Differenz der Durchschnittswerte bei den Altersgruppen

6;0 6:5 7,0%;5 8;0

VS 0,4 19-1,0 2,4 13 HS 0,7

8;5 9;0 9:5

1,4 3,0 0,9 0,7 0,2 1,0 4,6 2,1

100105. 140 -2,0 1,8 22 1,8

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XX, Heft 4, 1994