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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Gustav Kanter+ Sozialpsychologische Untersuchungen an sprachbehinderten Kindern in Normalschulklassen(1964)

a) ungeliebte Eigenschaften: frech, lahm, lügt, gibt an, kratzt, ist steif, blöd, schreit so u.ä.;

b) äußere Erscheinung: unsauber, stinkt, schlampiges Aussehen, dreckig u.ä.;

c) persönliche Erfahrungen und Einstel­lungen: stößt mich, boxt, verspottet, lacht mich aus, lädt mich nicht ein; kann ihn(sie) nicht leiden, mag ihn (sie) nicht, u.ä.;

d) Schulnormen: guckt ab, macht keine Aufgaben, faul, trotzig, schwätzt u.ä.;

e) Verhalten in Gruppensituationen: Verräter, Spielverderber, stört immer beim Spiel, gleich beleidigt, will im­mer gewinnen, mogelt, unfair, kriegt Wutanfälle u.ä.

Inhaltlich stimmen die Begründungen

in den beiden Wahlgängensitzen und

Spielen, soweit sie die Punkte a) bis c)

betreffen, vielfach überein. Die Aussa­

gen unter d) und e) beziehen sich jedoch mehr auf die durch die verschiedenen

Wahlkriterien angesprochenen spezifi­

schen Situationen.

Dieses allgemeine Bild verschiebt sich,

wie die Tabelle 8 zeigt, in Hinblick auf

die sprachbehinderten Schüler nicht.

Die Aussagen entsprechen durchaus de­

nen, die auch als Begründungen für die

Ablehnungen nicht-sprachbehinderter

Kinder gegeben wurden. Vor allem deu­

tet keine Formulierung darauf hin, daß

Kinder bewußt wegen ihres Sprachlei­

dens abgelehnt wurden.

Abschließend zu diesem Kapitel läßt sich

festhalten: Die sprachbehinderten Kin­

der sind über den gesamten Bereich der

Beliebtheitsskala verteilt, stehen durch­

schnittlich aber etwas schlechter als ihre

nicht-sprachbehinderten Mitschüler. In der Wiederholungsuntersuchung nach einem Jahr sind im einzelnen stärkere

Verschiebungen eingetreten, die Grup­

penwerte blieben jedoch ziemlich unver­

ändert. Die Ergebnisse der beiden Wahl­gängesitzen undspielen korrelieren bei jüngeren Schülern(4. Schulj.) hoch

(0,83). Mit aufsteigenden Klassen sinkt

der Zusammenhang(7./9. Schulj.=

0,62). Die Begründungen für die Ableh­

nung von sprachbehinderten Kindern

betreffen in keinem Fall das Sprach­leiden, sondern entsprechen inhaltlich denen, die fürnormalsprechende Mit­

schüler gewählt wurden. Die Anzahl der Begründungen für die Ablehnung eines sprachbehinderten Kindes ist allerdings doppelt so hoch wie für die einesnor­mal-sprechenden.

2. Intelligenz, Schulerfolg und Leistungsverhalten

Häufigkeitsverteilung der Intelligenz­quotienten der sprachbehinderten Kin­der(N= 21)

Abb. 2 Tabelle 9 IQ(Wechsler) bis 90- über 89 109 109 Anzahl 8 1 2= 21 Anzahl in% 38 52 10= 100 Erwartungs­werte in% 25 50 25= 100

Die Verteilung weist einen höheren An­teil von Kindern mit unterdurchschnitt­licher Intelligenz auf(Median 92). Die­seVerschiebung in Richtungniedri­ge Intelligenz gilt jedoch nur für unse­re Untersuchungsgruppe und ist stati­stisch nicht bedeutsam. Andere Arbei­ten(vgl. z.B. R. Binnenbruck 1963; K.H. Lachmann 1961; Luchsinger/Arnold 1959; Weiss 1961) haben gezeigt, daß Stotterer 19 der 21 erfaßten sprach­behinderten Kinder sind Stotterer im allgemeinen nicht weniger intelligent sind als ihre nicht-sprachbehinderten Altersgenossen. Die negative Abwei­chung der Ergebnisse bei den sprach­behinderten Kindern in dieser Untersu­chung liegt wohl daran, daß sich unter ihnen einige befinden, die nicht in die

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XX, Heft 4, 1994

Normalschule, sondern in die Sonder­schule für Lernbehinderte gehören(z.B. drei Kinder mit IQ 60, 64 und 67).

Ähnliche Überlegungen sind auch bei der nun folgenden Übersicht über den schulischen Leistungsstand und die Füh­rungsnoten zu beachten. Allerdings wer­den die schwachbegabten Kinder hier nicht in derselben Weise auffällig wie bei der Intelligenzuntersuchung. Sie be­finden sich in niedrigeren, nicht ihrer Altersstufe entsprechenden, Klassen(4

IQ

Sitzenbleiber, 2 Zurückgestellte) und er­fahren teilweise eine individuelle Be­treuung, so daß der Schulleistungsstand ausgeglichener erscheint.

Wie aus Tabelle 10 hervorgeht, sind die Zuverlässigkeit des Lehrerurteils vor­ausgesetzt die Schulleistungen der sprachbehinderten Kinder schwach durchschnittlich(M= 3,5); ihre Füh­rungsnoten(Betragen, Fleiß, Aufmerk­samkeit und Ordnung) liegen hinge­gen etwas höher(M= 2,8). Stellt man den Anteil der Kinder mitsehr niedri­ger undextrem niedriger Intelligenz (Wechsler) in Rechnung, dann wird er­sichtlich, daß die sprachbehinderten Schüler durchschnittlich nicht zu den Schulversagern gehören, wenngleich sie auch nicht wenigstens in der Unter­suchungsgruppe das beste Klassen­fünftel erreichten.

Der Zusammenhang zwischen mittlerer Schulleistung und IQ ist übrigens so niedrig, daß er sich nicht gegen Null absichern 1äßt(Rho= 0,25 ns). Dies er­scheint nach dem Vorgesagten nicht un­gewöhnlich, um so weniger, wenn man

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