Gustav Kanter- Sozialpsychologische Untersuchungen an sprachbehinderten Kindern in Normalschulklassen(1964)
Fragebogen vermittelt dazu folgendes Bild:
a) Verhalten zu den Mitschülern
Auf die Frage nach dem Verhalten der sprachbehinderten Kinder im Umgang mit ihren Klassenkameraden antworteten die Lehrkräfte:
15 mal verträglich— 1 mal unverträglich, 1 mal wütendaufbrausend 9 mal hilfsbereit— 1malegoistisch 6 mal offen— 0Omal verschlossen 7 mal kontaktbereit— 4 mal kontaktgehemmt 0 mal anstiftend— 9mal mitmachend 1 mal herausfordernd— 5 mal zurückhaltend, 3 mal ängstlich
Zwei Komponenten werden in dieser
Aufstellung sichtbar:
1. Das Verhalten der sprachbehinderten Kinder wird überwiegend positiv beurteilt(Verhältnis etwa 5:1), und zwar als verträglich, hilfsbereit, offen, kontaktbereit und nur wenig als unverträglich, egoistisch oder kontaktgehemmt.
2. Im Umgang mit ihren Klassenkameraden wirken die Sprachbehinderten jedoch oft passiv. Sie erscheinen zurückhaltend bis ängstlich und„machen nur mit“. In keinem Falle wurden sie als„anstiftend/anführend“ bezeichnet, nur in einem als herausfordernd(und zwar betrifft dieses den schon genannten„lügnerischen Jungen“ aus schlechtem häuslichen Milieu).
b) Beliebtheit bei Mitschülern Die 21 sprachbehinderten Kinder sind
nach Ansicht der Lehrkräfte bei ihren Mitschülern
in... Fällen 9 beliebt, anerkannt oder geschätzt(+) 7 geduldet oder unbeachtet(0)
4 abgelehnt, verspottet oder gehänselt(-) (1 Pb blieb unbeurteilt)
Das Lehrerurteil fällt für die Sprachbehinderten nicht ungünstig aus, eher zu positiv, wenn man sich die Ergebnisse der soziometrischen Befragung(Kap. II B 1, bes. Tab. 3) vergegenwärtigt, die
eine gegenläufige Tendenz erkennen lassen. Diese günstigere Beurteilung zeigt sich auch bei der Analyse der übereinstimmenden bzw. divergierenden Urteile:
Aufschlüsselung Lehrer-/ soziometr. urteil! Befragung? 2 mal+/+ Übereinstimmung 3mal 0 10 in 9 Fällen 4 mal- Ve 1 mal+/ Divergenzin 6 mal+ 0 11 Fällen 2 mal 0> 2 mal 0(+ 1 siehe obige Übersicht.
2+=PR 275; 0= PR 26-74;-= PR< 25 bezogen auf die gemittelten Differenzen Tabelle 2.
In den 11 divergierenden Fällen urteilen die Lehrer 9 mal besser als die Schüler untereinander(Zufallswahrscheinlichkeit 0,033 nach Lienert 1962, S. 337).
Als treffende Bezeichnung für die sprachbehinderten Schüler geben die Klassenlehrer an:
geschätzter Kamerad 11 mal Mitläufer, durchschnittlich 2 mal Einzelgänger, Außenseiter,
nur notfalls angenommen 6 mal Angeber 2 mal
Auch hier besteht eine Tendenz zu positiven Beurteilungen.
c) Verhalten zum Lehrer
Zu diesem Punkt wurden 38 Aussagen gemacht, die sich wie folgt aufschlüsseln lassen:
8 mal zutraulich
7 mal Beachtung und Anerkennung suchend Smal gefügig
5 mal auffallen wollend, sich vordrängend
4 mal eigenwillig, freche Widerreden(1 mal)
S mal zurückhaltend, verschlossen, gleichgültig 4 mal gehemmt, schüchtern
Zum Vergleich seien die Aussagen(relativierten Werte) über eine entsprechende Gruppe(N= 42) nicht-sprachbehinderter Schüler angefügt:
Es wurden 36 Angaben gemacht.
8 mal zutraulich
S mal Beachtung und Anerkennung suchend 3 mal gefügig
Smal auffallen wollend, sich vordrängend
4 mal eigenwillig
6 mal zurückhaltend, verschlossen
Smal gehemmt, schüchtern
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XX, Heft 4, 1994
Die Zahlenvergleiche zeigen praktisch eine Übereinstimmung zwischen den beiden Gruppen.
d) Auffallende Verhaltensweisen
Die Frage nach sonstigen auffallenden Verhaltensweisen wurde für 15(von 21) sprachbehinderte Kinder verneint. Bei den übrigen 6 Schülern finden sich folgende Vermerke: Herumtreiber, unpünktlich und ohne Pflichtbewußtsein, lügt(Zusatzbemerkung: schlechtes häusliches Milieu), sehr nervös, auffällig still und zurückgezogen, weich und weinerlich.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die sprachbehinderten Kinder in der Beurteilung der Lehrer recht günstig abschneiden, mindestens nicht auffällig werden. Ihr Verhalten zu den Mitschülern und ihre Beliebtheit bei ihnen werden überwiegend positiv eingeschätzt, und zwar besser als sich aus der soziometrischen Befragung ableiten läßt. Sie erscheinen im Umgang allerdings mehr passiv und„mitmachend“, nie aktiv führend. Gegenüber dem Lehrer weicht ihr Verhalten nicht von dem der Normalschüler ab.
4. Der Rosenzweig P-F Test (Form für Kinder)
Der Rosenzweig P-F Test, ein projektives Verfahren, soll Einstellungen und Haltungen von Personen in Vereitelungssituationen aufdecken. Er macht Aussagen über die Richtung der Aggressionen und die Art der Reaktionen. Aggressionen können sich richten gegen die Umgebung(Extrapunitivität= E), gegen das eigene Ich(Intropunitivität= I) oder sie werden, die Vereitelungssituation glossierend, umgangen(Impunitivität= M). In jeder dieser drei Aggressionsrichtungen können wiederum drei Reaktionstypen zum Ausdruck kommen:„Obstacle Dominance“(in der Antwort dominiert das frustrierende Hindernis= O-D), „Ego-Defense“(das Ich oder der Bezug auf das Ich überwiegt= E-D, dazu die Varianten„E“ und„I“. Bei der ersteren wird aggressiv abgeleugnet, für etwas
175