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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Gustav Kanter- Sozialpsychologische Untersuchungen an sprachbehinderten Kindern in Normalschulklassen(1964)

verantwortlich zu sein, was einem zur Last gelegt wird; bei der letzteren wird zwar die Schuld eingestanden, eine Ver­antwortung jedoch wegen unvermeid­barer Umstände abgelehnt.) undNeed­Persistence(Betonung der Lösung schwieriger Situationen= N-P).

Auf diese Weise ergibt sich ein Grund­schema von 9(+2) möglichen Auswer­tungsgesichtspunkten, die in bestimm­ter Weise verrechnet und interpretiert werden. In unserem Zusammenhang in­teressieren davon außer den schon ge­nannten nur noch die folgenden Kenn­werte, die gewisse Besonderheiten er­brachten:G-C-R(Group Conformity Rating) gibt einen Hinweis auf die Gesamtübereinstimmung der von den Pbn gegebenen Antworten mit dennor­malerweise zu erwartenden. DieS-E Patterns zeigen die Art, wie ein Pb sich verteidigt, wenn ihm eine Verfehlung zur Last gelegt wird. ImTotal Pattern werden die 3 häufigsten Faktoren ge­nannt(H. Hörmann& W. Moog 1957 S. 1 und 2).

Gesichert weichen die Kategorien E-D und N-P von den Normwerten ab, des­gleichen die Faktoren E und M+I(S-E Patterns). Auffällig sind auch das häufi­ge Auftreten von E als 1. Faktor in To­tal Pattern sowie gewisse Tendenzen in anderen Kategorien und Faktoren, die jedoch, möglicherweise wegen der ge­ringen Stichprobengröße, nicht signi­fikant wurden.

Mit Worten lassen sich die Ergebnisse etwa so beschreiben: Die sprachbehin­derten Kinder pflegen in Vereitelungs­situationen derart zu reagieren, daß das Ich oder der Bezug zum Ich in auffälli­ger Weise betont wird(E-D), die Lö­sungsmöglichkeit oder-notwendigkeit hingegen weniger beachtet wird(N-P). Sie leugnen oft von vornherein aggres­siv ab, für Dinge verantwortlich zu sein, die ihnen zur Last gelegt werden(E), und schlagen auffällig wenig den Weg ein, zuneutralisieren, d.h. erleichtern­de Umstände anzunehmen, auszuwei­chen, Geduld zu zeigen, etwas nicht wichtig zu nehmen 0.ä.(M+I sowie Ten­denzen in I, E u. M). Die Untersuchungs­gruppe zeigte insgesamt die Neigung zu weniger guter Anpassung(G-C-R); an erster Stelle aller ihrer Verhaltensweisen stand die Aggression gegen die Umwelt (Total P.).

An sich widerspricht diese Art zu rea­gieren nicht der kindlichen Mentalität, wie aus den Normwerten in den verschie­denen Altersstufen ersichtlich wird. Die ermittelten Daten zeigen aber überstei­gerte Verhaltensweisen in dieser Rich­tung an, während normalerweise die Ten­denz dahin geht, diese Haltung mit zu­nehmendem Alter abzubauen, so daß sie schon im beginnenden Schulalter nicht so stark ausgeprägt ist, wie sie bei der Untersuchungsgruppe(Durchschnitts­alter 12;3 Jahre) sichtbar wurde. Zusammenfassend kann aus diesem Ka­

Tabelle 11: Häufigkeitsverteilung der Ergebnisse von 21 sprachbehinderten Schülern im Rosen­

zweig P-F Test nach Quartilen E I M O-D

Kleiner Q, 3 6 8 7 Q,-Mdn 53 56 6 Mdn-Q, 5 5 3 3 Q, u größer. 8% TA 5 Sign. Chi? ns ns ns ns S-E Patterns

E I E+I gleich/kleinerQ, 5 10 3

4 6 14 gleich/größerQ, 12 5 4 Sign. Chi? ss ns ns

(fast s)

Total Pattern

E-D N-P G-C-R- FErwartungsw. 1 11 9 5,25 3 3 5 s,.25 9 6 4 5,25 8 1 3 5,25 s s ns E-E HJ M+]Erwartungsw. 3 4 14 5,25 8 11 S 10,50 10 6 2 s,.25 ns ns ss

Folgende Faktoren standen an erster Stelle: 20 mal E, 1 mal I, keinmal M.

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pitel festgehalten werden: Die sprachbe­hinderten Kinder zeigen im Rosenzweig P-F Test einige Besonderheiten. Sie rea­gieren in Vereitelungssituationen öfter in der Art derIch-Verteidigung, und weniger in der, eine Lösungsform in den Vordergrund zu stellen. Bei Beschuldi­gungen wird jede Verantwortlichkeit aggressiv geleugnet und nicht verstan­den, eine Situation zuneutralisieren und zuentschärfen.

5. Einzelfall-Darstellungen

Eine der Teilfragen dieser Untersuchung lautet: Wirken sich Sprachstörungen un­günstig auf das soziale Eingeordnetsein der Betroffenen(in den Klassenverband) aus? Um diese Frage zuverlässiger be­antworten zu können, scheint es nötig, die Ergebnisse der vorausgegangenen Abschnitte durch kasuistische Darstel­lungen zu ergänzen. Die soziometrische Befragung hatte zwar ergeben, daß die sprachbehinderten Schüler der Untersu­Chungsgruppe eine etwas ungünstigere Position einnehmen als ihre normal-spre­chenden Mitschüler, die Erhebungsdaten legen aber die Vermutung nahe, daß es sich bei der Ursache dieser Erscheinung nicht so sehr um Sprachstörungen han­delt, sondern um eine variierende Kon­stellation verschiedener Faktoren, von denen einige auch mit Sprachstörungen einhergehen. Einzelfallanalysen mögen diese Annahme näher begründen: Zu­nächst seien diejenigen 5 Schüler(Pb 17, 6, 4, 12 und 8) angeführt, die eine extrem schlechte soziometrische Posi­tion einnehmen und sowohl im Wahl­gangsitzen als auch im Wahlgang spielen hohe Ablehnung(PR> 75) er­fuhren.

Pb 17: Am schlechtesten schnitt die Schülerin Nr. 17 in der soziometrischen Befragung ab. Sie war zum Zeitpunkt der Untersuchung 13;5 Jahre alt und besuchte das 7. Schuljahr, nachdem sie ein Jahr später als üblich eingeschult war. Bei einem IQ von 71(sehr niedrige Intelligenz) erreichte sie ausreichende und bessere Schulleistungen. Das Betra­gen wurde als gut, Aufmerksamkeit und

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XX, Heft 4, 1994