30 Jahre HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG: Bestandsaufnahme und inhaltsanalytische
Reflexionen
Von Hans-Peter Langfeldt und Franz B. Wember*
In diesem Beitrag werden die Themen und Trends der Veröffentlichungen in der HEILPÄDAGOGISCHEN FORSCHUNG beschrieben. Als erstes Ergebnis ist festzuhalten, daß es in den vergangenen dreißig Jahren gelungen ist, das Konzept einer empirisch-realwissenschaftlichen Forschung zu etablieren. Etwa zwei Drittel aller Beiträge sind empirisch begründet. Dabei läßt sich ein Trend zu anspruchsvolleren Auswertungsverfahren beobachten. Die mit Abstand am häufigsten untersuchte Personengruppe ist die der behinderten Schulkinder. Die Definition von Behinderung orientiert sich vorwiegend an den Kriterien des gegliederten Sonderschulwesens. Bei den Forschungsinhalten dominieren kognitive Fähigkeiten oder Prozesse. Auf der Grundlage dieser Bestandsaufnahme werden Desiderata für die zukünftige sonderpädagogische Forschung formuliert: Das methodische Niveau ist weiterhin anzuheben, der Kreis der Personen, auf die sich die Forschung bezieht, ist ebenso auszuweiten wie die Breite der Forschungsthemen.
This report takes stock of the topics and trends published in this journal in the course of the last three decades. The most remarkable result may be that the journal has successfully established an empirical point of view in the research on special education. Two thirds of all articles are based on empirical data and the methods of data analysis tend slightly to a sophistic level. Most of the subjects investigated are handicapped or disabled pupils or students. Overall, the criteria of handicap and disability are orientated towards the schools of special education. The main focus of research are cognitive abilities or processes. Due to these results the demands of further research in the field of special education may be: to improve the methodological level of research and to extend the topics of research as well as the criteria of handicap and disability.
„Eine der Krankheiten dieses Jahrhunderts ist die Überzahl an Büchern; so überladen ist die Welt von ihnen, daß es unmöglich ist, den Wust an unnützem Zeug zu verdauen, das täglich ausgebrütet und in die Welt geworfen wird.“ Solla Price(1974, 74) zitiert diesen„Herzensschrei eines Scholaren‘“ aus dem Jahre 1613, um zu belegen, daß die Gründung von wissenschaftlichen Zeitschriften ab dem 17. Jahrhundert eine unmittelbare Folge der stetig steigenden Produktion wissenschaftlicher Texte war.
* Wir danken Frau Silke Täumler für die Durchführung der Kategorisierungsarbeiten und den Herren Thomas Gripskamp und Thorsten Keil für die Erstellung und Wartung einer relationalen Datenbank.
Gelehrte Zeitschriften sollten einen Überblick verschaffen und die Veröffentlichung kurzer Arbeiten statt langer Monographien fördern. Außerdem kam ihnen eine soziale Funktion zu: sie sollten die wissenschaftliche Kommunikation vereinfachen und Kontakte zwischen den Forscherinnen und Forschern herstellen.
Vor 30 Jahren erschien das erste Heft von HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG, Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie Behinderter. Helmut von Bracken und Hermann Wegener, die Begründer und ersten Herausgeber, wollten ein fachwissenschaftlich anspruchsvolles Publikationsorgan bereitstellen, in dem„Beiträ
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XX, Heft 4, 1994
ge zur wissenschaftlichen Durchleuchtung der heilpädagogischen Erziehungsund Unterrichtsarbeit in Geschichte und Gegenwart Platz finden“(1964, 1, Hervorhebungen hier und im weiteren ausgelassen). Sie waren der Meinung, die Frage nach den wissenschaftlichen Grundlagen der heilpädagogischen Arbeit sei„... nicht die einzige, aber auch nicht die unwichtigste‘“(ebd.). Dementsprechend sollte die HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG ein„Sammelpunkt der Forschungsarbeit“(Bracken& Wegener 1964, 2) sein: empirische und theoretische Abhandlungen aus dem Bereich der Sondererziehung und Rehabilitation sollten hier ebenso Aufnahme finden wie Arbeiten aus den Nachbarwissenschaf
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