18 Fontane Blätter 102 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes 5. Theodor Fontane an Franz Riß, Berlin, 1. Januar 1896 Berlin 1. Januar[18]96. Hochgeehrter Herr. Ganz ergebensten Dank für Ihre freundlichen Zeilen. Was den Aufsatz angeht, den geschriebenen und den zu schreibenden, so bitte ich Sie inständigst, sich dabei durch meiner Person geltende Rücksichten und Erwägungen nicht bedrücken zu lassen. Ich freue mich, wenn was Nettes über| mich gesagt wird, aber ich schaue nicht danach aus. Von Ihren freundlichen Gesinnungen bin ich immer im Voraus überzeugt. Ich hätte nur gewünscht, daß Ihnen so viel Aerger, Mühwaltung und Schaden erspart geblieben wäre. In vorzüglicher Ergebenheit/ Th. Fontane. 6. Theodor Fontane an Franz Riß, Berlin, 28. Juni 1896 Berlin 28. Juni[18]96 Potsdamerstraße 134.c. Hochgeehrter Herr. Empfangen Sie meinen schönsten Dank für Ihren Essay über mich in den Neuen Liter: Blättern. Ich habe es, wie alles von Ihnen, mit dem größten Interesse gelesen, was ich nicht von jedem freundlichen Wort über mich sagen kann. So vieles ist blos wohlwollend, aber öde, kein neuer Gedanke. Sie bringen| immer was, was einen nachzudenken zwingt und das Resultat ist immer, daß man Ihnen Recht geben muß. So heißt es diesmal gleich zu Anfang:»Das Wissen beweist sich als des Dichters Feind.« Ich nahm es gleich als etwas Schmeichelhaftes und war mir nur nicht sicher, ob ich das Schmeichelhafte darin auch verdiente. Denn ich bin Autodidakt und von einem Gymnasialdirektor-Standpunkt aus, weiß ich so zu sagen gar nichts. Dennoch| wird es wohl richtig sein. In einem sehr langen Leben habe ich furchtbar viel zusammengeschleppt und mit diesem überreichen Material fülle ich die Erzählung und was vielleicht schlimmer ist auch den Dialog. Es würde dies noch schlimmer hervortreten, wenn ich mich nicht eines künstlichen Bummelstils befleißigte. Das rettet wieder, aber doch wohl nicht genug. Also dies historisch anekdotische Wissen beballastet mein Schiff zu stark und beweist sich mir| als Feind; weniger wäre mehr. Aber andrerseits, so gewiß es eine Schwäche bleibt, liegt doch auch hierin wieder eine Force. Wenn auch freilich nur vergleichsweise. Gemessen am Ideal, müßte das alles anders sein, gemessen an dem landläufigen Dialog selbst angesehener Schriftsteller, zieh’ ich meine Ueberballastung vor. Wie
Heft
(2016) 102
Seite
18
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