Heft 
(2016) 102
Seite
28
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28 Fontane Blätter 102 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Dem engeren Kreis, der zunächst an diesen Schriften Interesse nahm, würde durch das genügt worden sein, was in denselben geboten wurde. Ihm handelte es sich um Schilderungen der Heimat und diese würden ihm, bei dem starken Heimatsgefühl, das gerade den Märker auszeichnet, in je­der Form willkommen gewesen sein. Über diese Grenze hinaus aber fan­den die Werke Anerkennung durch die Art und Weise, wie darin der Stoff behandelt war. Fontane bezeichnete die Wanderungen gelegentlich als Plaudereien oder Feuilletons; damit ist ihr Ton auch ganz richtig getroffen. Man erwägt aber dabei im ersten Augenblicke nicht, was es bedeutet, vier Bände Plaudereien zu schreiben. Die Plauderei soll immer fesseln und nie­mals anstrengen, sie soll geistreich sein, aber nicht gründlich; in gefälliger Form geboten, soll sie doch den Anschein erwecken, als sei sie mühelos so festgehalten, wie sie der Eingebung des Augenblicks entsprang. Fontane kam hierfür seine Abstammung sehr zu Gute. Wer wollte leugnen, dass die Plauderei das unbestrittene Gebiet der französischen Schriftsteller ist und dass sie gerade den Deutschen hierin weit überlegen sind? Die Durchfüh­rung dieser kleinen Partien, ihre ganze Anlage verrät in Fontane zugleich mit dem deutschen Gemüt das französische Blut. Alles wirkt hier so zwang­los, sicher, leicht, elegant, die Form, welche fast geflissentlich vernachläs­sigt erscheint, schmiegt sich bis in die Kleinigkeiten hinein dem Inhalt aufs Genaueste an; sie ist nach Bedarf gedrängt oder breit, tändelnd oder in­haltsreich, scharf oder gemütvoll, hochtönend oder einfach, immer aber klar, ungeziert und liebenswürdig. Dadurch erzielt er in allem, was er dar­stellt, eine ausserordentliche Anschaulichkeit. Sei es eine merkwürdige Ge­gend, ein beachtenswertes Gebäude, ein interessanter Vorfall, ein bedeu­tender Charakter, mit wenigen, schlichten Sätzen ist das Bild in seinen wesentlichen Linien gekennzeichnet. Gern und reichlich lässt er die Perso­nen, mit denen er sich beschäftigt, selbst das Wort führen, indem er Briefe, Aufzeichnungen, verbürgte Aussagen derselben wiedergiebt.»Das Beste an meinen ›Wanderungen‹ ist jedenfalls das, was nicht von mir ist«, schrieb er mir einmal in seiner humorvollen Weise. Es entzieht sich der genauen Feststellung, wie weit er an das Überlieferte die verbessernde Hand ange­legt hat. Seinen feinen Sinn bekundet er für alle Fälle genügend durch die Auswahl, die er traf und durch das Geschick, mit dem er die einzelnen Teile zum Ganzen zusammenfügte. Durch die»Wanderungen« hat Fontane seinen Ruhm als Schriftsteller von bemerkenswerter Eigenart festbegründet. Sie sind das Werk, aus dem man ihn am besten kennen zu lernen vermag; alle die Züge, welche schein­bar sich widerstrebend, in Wirklichkeit aber sich glücklich ergänzend, zu seinem Charakter zusammenwirken, treten hier in ausgeprägter Deutlich­keit hervor.(Schluss folgt).