Heft 
(2016) 102
Seite
53
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Theodor Fontane´s »Irrungen, Wirrungen« Bernstein 53 Mit bedachter Kunst ist Botho in der Gewöhnlichkeit seiner Natur festge­halten, ohne unser Mitgefühl einzubüßen. Mit noch größerer Kunst ist Kä­the, die»ein bischen dalbert«, so geschildert, daß wir sie noch liebenswür­dig finden und doch ihren Gatten bedauern. Es ist ein kühner und außerordentlich feiner Zug, daß Lene`s Jugendsünde- denn Botho ist nicht ihr Verführer nur angedeutet wird. Der Dichter ist so sicher, durch das, was er sagt, die Gedanken und Empfindungen, die er beim Leser haben will, hervorrufen zu können, daß er sogar hinsichtlich eines so entscheiden­den Punktes zu schweigen wagt. Mit scheinbar einfachsten Mitteln, durch die ruhige Erzählung des Ge­schehenen, werden ernste und heitere Szenen unvergeßlich vor unser Auge geführt. Der Tod der alten Nimptsch, der Besuch Gideons beim Baron, die Rede, welche Botho`s drolliger Onkel bei einem Diner gegen Bismarck hält, die Briefe Käthe`s. Doch wir verweisen nun den Leser auf das Werk selbst. Der gefeierte Dichter hat es als ein fast Siebzigjähriger geschrieben. Schon dies würde ihm unsere warme Neigung und Verehrung erwerben. Aber er hat mehr geleistet als nur einen Beweis seiner andauernden Geisteskraft; er hat die deutsche Literatur um ein gutes Buch bereichert.