Heft 
(2016) 102
Seite
64
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64 Fontane Blätter 102 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Lese-Erfahrung konnte der grundsätzlich positiven Haltung, ja der Liebe Fontanes zu allem Militärischen keinen Abbruch tun. Bereits wenig später kann er sein Lob der zu seiner Bewachung abkommandierten französischen Gendarmen nicht besser zum Ausdruck bringen als mit folgenden Worten: »Alle die liebenswürdigen Züge des alten Soldaten waren bei ihnen hei­misch; nie verstimmt, nie feindselig, immer ein Schutz, immer zu Zuspruch geneigt«. 31 Und das zweite, noch im selben Jahr publizierte Erlebnisbuch Aus den Tagen der Occupation führt das fort und zeigt uns darüber hinaus, wie für Fontane sogar einzelne Kampfhandlungen wie beispielsweise die blutigen Gefechte um das vor Paris gelegene Dorf Le Bourget eine»poeti­sche Bedeutung« 32 gewinnen konnten. Allerdings stehen nicht Unsicherheit oder Wankelmut hinter diesen scheinbar so widersprüchlichen Äußerungen, sondern ein unvoreinge­nommenes differenziertes Herangehen und eine große innere Freiheit. Schon die Verstimmung von Moulins hat gezeigt, daß Fontane der skepti­sche Blick auf jegliche militaristische und patriotische»Erregung«»ich kann mir nicht helfen, unendlich viel Blech« 33 nicht erst in den letzten Le­bensjahren zugewachsen ist. Gewiß, seine markante Sentenz aus einem Brief an Georg Friedlaender»das Haupt-Idol, der Vitzliputzli des preußi­schen Cultus, ist der Leutnant, der Reserve-Offizier. Da haben Sie den Sa­lat« 34 stammt aus seinem letzten Lebensjahrzehnt; sein oft zitierter Satz aus einem Brief an James Morris»Das aber, womit am ehesten(weil uner­träglich geworden) gebrochen werden muß, ist der Militarismus« 35 sogar aus Fontanes vorletztem Lebensjahr. Daneben aber taucht in einem Brief aus demselben Jahr das Wort»militärisch« 36 einmal mehr in einer Aufzäh­lung von positiven Eigenschaften auf. Auch Fontanes Widerwille gegen das als Phrase mißbrauchte 37 »Gott mit uns« beim Monatsgast immerhin eine der beiden Parolen der Umschlagvorderseite ist kein grundsätzliches Ver­dikt. Im persönlichen Umgang gebraucht Fontane mehr als einmal und im­mer in als bedrohlich empfundenen Lebenslagen den Satz:»Gott sei mit uns«. So beispielsweise unmittelbar vor dem Ausbruch des deutschen Krie­ges in einem Brief an Paul Heyse:»We are drifting into war now; in 8 Tagen kanns los gehn; Gott sei mit uns« 38 . Oder am Tag nach seiner Gefangennah­me in dem Brief an die Ehefrau aus Besançon:»Seit gestern bin ich ein Ge­fangener und befinde mich bereits in der Mitte Frankreichs. Es muß getra­gen sein.[] Meine Situation beschreibe ich Dir nicht, der Hohn des Volkes ist furchtbar. Gott sei mit uns und kläre diese Nebel.« 39 Nun hat Fontane nach den drei preußischen Siegen von 1864, 1866 und 1870/71 zwar jedem»patriotischen Blech« immer wieder eine Absage er­teilt, 40 diese Siege in seinen Kriegsbüchern aber ausdrücklich gewürdigt, ja gefeiert, 41 wurde dabei aber»nie müde zu betonen, daß der Sieg von 1870 nur dem Glück zu danken war. Sein ›Gott war mit uns‹ war demütig, nicht militaristisch gemeint.« 42 So schrieb er beispielsweise am 12. August 1895,