Heft 
(2016) 102
Seite
65
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Theodor Fontane und Der Monatsgast Wolpert 65 nachdem er in der Deutschen Rundschau die Persönlichen Erinnerungen an den Krieg von 1870/71 des aus einer Hugenottenfamilie stammenden preu­ßischen Offiziers Julius von Verdy du Vernois gelesen hatte, an Julius Ro­denberg, den Herausgeber dieser Zeitschrift:»Eine im Bummelton vorge­tragene, kolossal ernste Predigt, gegen die sechs Domprediger nicht ankönnen. Mit unsrer Macht und unsrer Weisheit ist nichts getan; wie groß die eine und die andre sein möge, irgendeine Allmacht hält die Fäden in der Hand und entscheidet über Sieg und Niederlage. Wir waren in jedem Anbetracht die Stärkeren, und doch wird man, mit fast alleiniger Ausnah­me der Schlacht bei Sedan, das Gefühl nicht los, daß es, all unsrer Überle­genheit zum Trotz, auch ganz schief gehen konnte. Immer hing es am Haar. Und auch nur eine einzige Niederlage zu ertragen, waren wir kaum in der Lage.« 43 Insofern hat Fontane kritisch und selbstkritisch zeitlebens an sei­nem Einzugsgedicht vom Dezember 1864 festhalten können, hat es mit den Einzugsgedichten von 1866 und 1871 zu einer Trilogie vereint 44 in die nächste und alle folgenden Buchausgaben seiner Gedichte bis in sein letz­tes Lebensjahr hinein mit aufgenommen und es dafür sogar mehrfach überarbeitet. 45 Bereits in dieser Einzugstrilogie läßt sich von dem»Konzediere, es war gut«(1864) zu dem»Bon soir, Messieurs, nun ist es genug«(1871) 46 eine Entwicklungslinie erkennen, die Fontanes zunehmendes Bewusstsein für die Schrecken der Kriege und seine wachsende Kritik an der Tendenz zur Maßlosigkeit im militärischen und politischen Expansionsdrang zeigt. Diese Entwicklungslinie der Einzugstrilogie hat Fontane noch einmal aufgenommen und fortgeführt, nicht in seinen Gedichten, sondern in sei­nem erzählerischen Werk. Hier nun, und zwar in dem Roman Quitt, dessen zentrale Gestalt Lehnert Menz zwar die»siebenziger Kriegsgedenkmün­ze«, nicht aber das eiserne Kreuz trägt, konnte Fontane das heiße Eisen auf eine ganz eigene Weise noch einmal in die Hand nehmen und»in Obadjas pazifistischer Predigt[] das Stichwort ›Einzug‹« gegenüber der kriegeri­schen Quelle klar umdeuten: »Fortschritt und Freiheit sollten freilich ihren Einzug halten in der Welt, aber auf einer Palmenstraße, nicht auf einer Straße, da die Kriegs­knechte zu beiden Seiten am Wege stehen. Absage dem Krieg, das sei die Lehre der Taufgesinnten. ›Und so höret denn zum Schluß: Übermut macht Krieg. Demut macht Frieden. Und der Frieden im Gemüt ist das Glück und die Vorbereitung zum ewigen Heil. Selig sind die Friedfertigen, selig sind, die reines Herzens sind. Die Rache ist mein, spricht der Herr.« 47 Doch gehen wir noch einmal zurück zur Zeitschrift Der Monatsgast! Die sehr eigenwillige Erweiterung des Einzugsliedes Fontanes gehört letztlich mit zu der Offenheit, in welcher wie schon das in den Titel mit aufgenom­mene Wort»Lazareth« belegt der Monatsgast auch die angesichts der