Heft 
(2016) 102
Seite
84
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84 Fontane Blätter 102 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte ­diese Dreiheit der unnachahmliche»Fontaneton«, die Passion für Men­schen und stille Verklärung des zeitlos Humanen, schließlich die kritische Auseinandersetzung mit der»Adelsfrage« und den anderen»großen Fra­gen« der Zeit: erst das Zusammenspiel dieser Dreiheit macht den beglü­ckenden Zauber von Fontanes»politischem Roman« aus. III Als eine Art»höherer Heiterkeit« ließe sich die Grundstimmung des Alters­romans wohl bezeichnen. Wie kein anderer verkörpert diese Stimmung der alte Schlossherr auf Schloss Stechlin. Er gibt damit gleichsam den Grund­ton des Romans an. Dem alten Dubslav eignet eine»darüberstehende Hei­terkeit«, ein heiterer Gleichmut, der den Realitäten des Lebens ins Gesicht sieht und sich dadurch gleichwohl nicht niederdrücken lässt. Solche Hei­terkeit ist im Urteil Pastor Lorenzens,»menschlich angesehn, so ziemlich unser Bestes«(211). Dem Element menschlicher Güte entstammend, ist sie zugleich Ausdruck jener inneren Unabhängigkeit, wie sie die stoische Phi­losophie erstrebte. Der Alte, dessen»gute Laune« dauernd betont wird, be­trachtet die Welt»comme philosophe« aus ruhiger Distanz,»nach dem Wort und Vorbild des großen Königs«(10). Prägnantes Merkmal von Dubs­lavs Betrachtung des Lebens»comme philosophe« ist sein Lachen. Für ei­nen philosophischen Betrachter können sogar die Irrtümer der Menschen, wie die Fehlurteile der Besucher über die vermeintlichen Aloeblüten auf der Stechliner Schlossrampe, noch eine»Quelle der Erheiterung« sein(7). »Heiter«,»Heiterkeit«,»Erheiterung« sind Leitworte im Stechlin. So feiert der befreiende Humor, der zwischen Distanz und Teilnahme die Mitte hält, in diesem Roman noch einmal seinen stillen Triumph. Kein anderes Werk des Dichters durchkostet so wie dieses Alterswerk alle Reize von Esprit, Witz, Komik, Ironie, Humor. Mit stillem Behagen werden sämt­liche Register des Komischen gezogen und in den Dienst der»heiteren Grundstimmung« 69 gestellt; neben dem vom Erzähler praktizierten augen­zwinkernden Erzählstil werden auch gröbere Formen des»Ulks« wie Ka­lauer, regelrechte Witze, Anekdotisches, Satirisches und Karikaturistisches nicht verschmäht. Sogar eine kleine Burleske, eine»Eulenspiegelei«, ein ty­pisch märkischer»Schabernack« fehlt nicht die Intrige nämlich, mit der der kranke Dubslav seine herrschsüchtige Schwester Adelheid aus ihrem angemaßten Krankenpflege-Regime vertreibt. Und glücklicherweise sind die beschränkten konservativen Gutsbesitzer der Grafschaft Ruppin we­nigstens gute Witze- und Anekdotenerzähler. Es wundert deshalb nicht, dass im Stechlin alle paar Seiten wieder ein Schmunzeln, ein Kichern, ein Lächeln, ein Lachen vorkommt. Verben des Lachens bestimmen den Ton der Causerien, immer abgestuft nach Situation sowie nach Stand und Charakter des Sprechers: Engelke»grient« vorzugs­weise, Frau von Gundermann»kichert«, Krippenstapel»schmunzelt«,