Heft 
(2016) 102
Seite
139
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Mit Zopf und Knebelbart  Möller 139 Krieger von Stahl und Eisen, der es verdient hat, in dem preußischen Heere als der alte Dessauer fortzuleben und gerühmt zu werden.« 16 Es ging ihm um den Zopf, der falsche Bart, den Menzel ihm angekreidet hatte, war für Fontane eine Nebensache. Die Art und Weise, wie er sich zu recht­fer­ti­gen suchte, ist be­zeich­n­ end. Es musste ein Zweiheber sein. Die Entgegnung»ich hätte statt Schnauz- Schnauz en bart sagen müssen« ging am Einwand Menzels vorbei, der dem Dichter nicht nur eine unzutreffende Beschreibung, sondern besonders auch einen lexika­lischen Missgriff vor­gehalten hatte. Ob Fontane auch auf den Aspekt einging, dass Leo­polds Bart kaum je bis auf die Schultern herabhing, ist nicht bekannt, da sein Brief nur fragmen­tarisch überliefert ist. Dass Menzel ihm vorgeworfen hat, er habe gar nicht die richtige Bezeichnung für die Barttracht des Alten Dessauers verwen­det, überging Fontane jedoch zunächst. Für ihn war Kne­bel­bart offenbar ein Synonym für den Ober­lippen- bzw. Schnauz­bart. Menzels Einwand offenbart dagegen ein anderes Begriffs-Verständnis. ­W­ elche Instanz konnte in dieser Frage zu Rate gezogen werden? Und wie hätte die Barttracht des Alten Dessauers exakt bezeichnet werden müssen? Eine direkte Antwort fand sich nicht, in der Korrespondenz kam keiner der beiden noch einmal auf diese Frage zurück. Wir sind auf vergleichende Untersuchungen angewiesen, auf Parallelstellen in der Literatur, in Lexika. Auf grundlegende Autoritäten wie Stan­dard­werke der Barbierkunst wird keiner der beiden Zugriff gehabt haben. Untersucht man die Verwendung des Begriffs Knebelbart im 19. Jahr­hundert, wird deutlich, dass die für die Benennung der Bartmoden ver­wendeten Termini unscharf waren und ziemlich nach­lässig gehandhabt wurden. Man findet Beispiele dafür, dass Knebelbart verwendet wurde als Bezeich­nung für den Oberlippenbart, für den Kinnbart und für die Kombi­nation aus beiden. Offenbar wurde die­selbe Bezeichnung für unterschied­liche Barttrachten verwendet, wie auch unterschiedliche Begriffe für ein und dasselbe anzutreffen sind. Man verstand sich trotzdem, notfalls wur­de ein expo­nierter Vertreter einer Bartmode namhaft gemacht. In der Sprach­praxis wurde Knebelbart ver­breitet als Bezeich­nung für den Oberlippenbart verwendet, wie auch immer dieser geformt war. Und in diesem Verständnis hatte Fontane offenbar den Begriff zunächst zur Be­schreibung des Alten Dessauers genutzt. Er konnte sich nicht nur auf die Gepflogenheiten der Umgangssprache berufen, sondern auch auf die Auto­rität von Lexika und Wörterbüchern sowie auf zahlreiche literarische Tex­te. Nach dem Adelung ist Knebelbart»der in die Quere gezogene Bart der Oberlippe, bey den Männern, welcher ehedem sehr üblich war, noch jetzt von den Husaren und manchen andern Kriegesvölkern getragen wird, und ehedem auch Gran genannt wurde; der Knebel, der Schnurrbart, Schwei­zerbart, im Oberd. Spreitzbart.« 17 Das Grimmsche Wörter­buch bietet die Erklärung:»gedrehter schnauzbart«. 18 In Konversationslexika findet man