Heft 
(2016) 102
Seite
144
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144 Fontane Blätter 102 Vermischtes werden­soll. Für die Beurteilung von Menzels Blatt über Fontanes Alten ­Dessauer ist die Frage maßgeblich, was das für ein Album war. Die Unsicher­heit der Kunsthistoriker verweist auf ein Defizit der Fontane-­Forschung. Obwohl es sich um ein besonders wichtiges Erinne­rungsstück aus dem Nachlass des Dichters handelte, wurde das Tunnel­Album bisher noch nicht unter­sucht. In seiner 1937 publizierten Bestands­übersicht des Theodor-Fontane-Archivs verzeichnete Hermann Fricke unter der Signatur T 3 das»Tunnelalbum Theodor Fontanes«. Dieses Al­bum gehört zu den seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vermiss­ten Be­ständen des Theodor-Fontane-Archivs. Manfred Horlitz konnte in seinem Ver­zeichnis unter der Vor­kriegs­b­ estands­s­ignatur T 3 nicht mehr als die Angabe»Tunnel-Album« festhalten. 37 Das war alles, was bisher über das Album bekannt war. Wolfgang Rasch, der für seine Bibliographie die gesamte Fontane-Literatur und für seine Ausgabe ­der Autobiographie Von Zwanzig bis Dreißig auch das Wis­sen über den Freundeskreis umfassend gesichtet hat, erwähnt das Tunnel­Album nicht. In der Chronik kommt der Begriff Tunnel- Album nicht vor. Selbst im Kom­men­t­ ar von Gabriele Radecke zur Korrespon­denz von Theo­dor Fontane und Bernhard von Lepel findet sich kein Hinweis, obwohl das Album in den Briefen, die Fontane und Lepel im Frühjahr 1852 wechselten, mehrfach eine Rolle spielte; sogar die Bezeichnung Tunnel- Album wurde als Bildunterschrift in dieser Ausgabe reproduziert, allerdings ohne dass ein Zusam­men­hang zu dem in den Briefen erwähnten Album hergestellt wurde. 38 Dabei lässt sich das Album relativ gut beschreiben, obwohl es heute verschollen ist, und es gibt genügend Hinweise darauf, dass Fontanes­Stammbuch mit Einträgen vor allem aus dem Dezember 1851 und dem Frühjahr 1852 privatim auch als Tunnel- Album bezeichnet wurde. Damit war nicht die großformatige Sammelmappe gemeint, die bereits im 19. Jahr­hundert für das Tunnel-Archiv angelegt wurde, um die Kunst­werke abzule­gen und aufzubewahren, die noch heute mit dieser Bezeichnung im Tunnel­­- Archiv der Humboldt-Universität verwahrt wird, sondern eben Fontanes persönliches Album Amicorum. Aus der Korrespondenz, aus überlieferten Abschriften, Faksimiles und an­de­r­ en Sekundär­zeugnissen lässt sich eini­ges über Fontanes Tunnel- Album erfahren. Am 23. Dezember 1851 schrieb Emilie Fontane an Friedrich Witte: »[... ] ich habe Theo zu seinem Geburtstage ein Album gekauft, sämt­liche Tunnel­mitglieder haben sich bereits durch Zeichnung oder Gedicht ver­ewigt, ich möchte aber vor allen, daß keiner seiner Freunde fehlte, dar­um wenn es irgend sein kann, senden Sie mir etwas dazu, entweder klebe ich es hinein oder lege es zu künftiger Einschrift hine­ in. Ich hoffe mein lieber Mann soll Freude haben; dazu werde ich ein Gedicht schreiben, ­worin ich ihm sage: mit der Gesell­schaft wäre es Nichts, dafür erschie­nen die Freunde hier etc.« 39