Heft 
(2016) 102
Seite
158
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158 Fontane Blätter 102 Vermischtes reaktionen sozusagen das»backend« kennenlernen. Das Archiv erhielt da­mit nicht nur Materialien von biographischem, sondern auch von histo­risch/literarhistorischem Wert. Wirft man einen Blick auf die Themenkreise, die in den Archivkästen versammelt sind, so begegnet man naturgemäß denjenigen Sujets, die durch die von Gotthard Erler verantworteten Editionen vorgegeben sind; Fontane, der Wanderer, der Märker und der Berliner, der passionierte Rei­sende, der metropolitane Romancier. Um Fontanes Frauen geht es in zahl­reichen Lesungen und Vorträgen, um die Figuren seiner Romane allen voran Mathilde Möhring, ebenso wie die des wirklichen Lebens, die Freundin, die Tochter, die Ehefrau, auf deren tragende Rolle in Fontanes Leben Gotthard Erler nachdrücklich hingewiesen hat. Literarhistorische Koordinaten werden mit Goethe, Kleist, Heyse oder dem Friedrichshage­ner Dichterkreis angelegt. Fontanes Verhältnis zu Preußen und seinen Granden, seine Stellung zu Juden und Antisemitismus, sein Humanismus; Fragen in»60 Jahren Fontane-Forschung«(so ein Vortrag anlässlich des 80. Geburtstages) immer wieder neu oder zu allererst gestellt, sind nicht nur Zeugnisse eines Forscherlebens, sondern, im Falle Gotthard Erlers, auch Zeugnisse eines politischen Umwertungsprozesses, der Fontane und die Fontane-Forschung der Nachkriegsjahrzehnte in BRD und DDR unter­worfen war und an dem Gotthard Erler als Lektor, Cheflektor und zuletzt Geschäftsführer des Aufbau-Verlages passiv und aktiv beteiligt war. 1 In den Statements zu Leitlinien und Prinzipien einer künftigen Brecht-, einer künftigen Fontane-Ausgabe spiegelt sich auch ein Stück Verlagsgeschich­te, zuletzt im Hinblick auf die Große Brandenburger Fontane-Ausgabe. Wenngleich im Zentrum des Vorlasses zweifellos der Fontaneforscher und-herausgeber Erler steht, so wirkte der Literaturliebhaber und Verlags­mensch Gotthard Erler doch auf weiterem Feld; d.h. es gibt auch einige Kästen zu nicht fontanischen Themen in diesem Vorlass, in denen es um Heinrich Mann und die Manns überhaupt, um Goethe, Heinrich Heine oder Georg Weerth geht, oder um die Tagebücher von Victor Klemperer, die seit ihrem ersten Erscheinen 1996 zu einer verlegerischen Erfolgsgeschichte wurden. Wenn in einem Vortrag von 1995 nach der»Exilliteratur heute« gefragt wird, so wird ein weiteres Kapitel Aufbau-Verlagsgeschichte aufgeschla­gen, gehörte es doch zu den erklärten Zielen des Verlags seit seiner Grün­dung im Jahre 1945, Werke von Autoren zu publizieren, die vom NS-Regime verfolgt wurden und ins Exil gehen mussten. 2 Nicht zuletzt Gotthard Erler, der dem Verlag seit den 1960er Jahren in diversen Funktionen angehörte, hat dieses Profil mitgeprägt. In seinem schon erwähnten Vortrag zum 80. Geburtstag 60 Jahre ­Fontane-Forschung in 60 Minuten nennt Gotthard Erler die Namen zweier Persönlichkeiten, die zu seinem Leben mit Fontane zählen: Charlotte Jolles