164 Fontane Blätter 102 Vermischtes E.A. Seemann in Leipzig das Handwerk des Herstellers erlernt hatte, trat er 1926 als Teilhaber und Mitdirektor in den Verlag von Gustav Kiepenheuer in Potsdam ein, der damals in beträchtlichen finanziellen Schwierigkeiten steckte. Kiepenheuer, der nach einem Diktum seines Compagnons ein großer Bücherfreund war, ohne ein passionierter Leser zu sein, hatte einen beträchtlichen Teil der zeitgenössischen literarischen Prominenz um sich geschart, und Landshoff, der das Buch im besten Sinne als Ware und Kulturgut verstand, wußte in dieser Situation(über Wilfried Israel, den Sohn eines Kaufhausbesitzers am Berliner Alexanderplatz) das erforderliche Geld aufzutreiben. Er entdeckte»Seghers«, als noch nicht bekannt war, ob das ein Autor oder eine Autorin war. Für den Aufstand der Fischer von St. Barbara von Anna Seghers gab es 1928 den begehrten Kleist-Preis. Landshoff sorgte, zusammen mit Walter Landauer und Hermann Kesten, für eine opulente literarische Blüte, zu der auch Benn und Brecht zählten. Für die geistige Spannweite des Programms stehen auch zwei weitere Editionen: Siegmund Freuds Vorlesungen zur Einleitung in die Psychoanalyse und das Kapital von Karl Marx, die in je 50 000 Exemplaren(!) gedruckt wurden. Den zuweilen nur mäßigen wirtschaftlichen Ertrag solcher Unternehmungen illustrierte er gern mit dem Bonmot: Feuchtwangers Erfolg sei keine»Große Sache«, und die»Große Sache« von Heinrich Mann kein Erfolg gewesen. Landshoffs Engagement für linksbürgerliche und sozialistische Autoren und die Tatsache, daß er jüdischer Herkunft war, zwangen ihn schon früh im Jahre 1933, Deutschland zu verlassen. Er ging nach Holland, wo er in Amsterdam im angesehenen Verlag von Emanuel Querido eine deutschsprachige Abteilung aufbaute und sich erfolgreich für die heimatlos gewordenen deutschen Autoren einsetzte, indem er mit Hilfe eines komplizierten, aber effektiven»Rentenvertrags-Systems« deren Existenz zu sichern half (bis zum Einmarsch der Naziwehrmacht 1940). Und er hat unter schwierigsten Bedingungen große Werke der Exilliteratur herausgebracht; stellvertretend für weit über hundert Bücher seien Arnold Zweigs Erziehung vor Verdun und Heinrich Manns Henri Quatre genannt. Dennoch werden Heinrich Mann, der große Fontane-Verehrer, und Fritz Landshoff bei ihren Begegnungen in Paris und Nizza wohl kaum über den alten Märker geredet haben – dazu waren die aktuellen P robleme mit dem Vertrieb deutschsprachiger Bücher auf dem zusammengebrochenen europäischen Buchmarkt viel zu drängend, und vor allem bewegte die beiden die Sorge um einen bevorstehenden Krieg, den HitlerDeutschland sichtbarlich vorbereitete. Und auch mit Thomas Mann, dem anderen großen Fontane-Kenner und-Liebhaber aus Lübeck, dürfte Landshoff in Zürich kaum über Effi Briest debattiert haben. Da lag ihm wohl eher seine zärtliche Zuneigung zur Mann-Tochter Elisabeth im Sinn, mit der er, auch nach deren Ehe mit Giuseppe Antonio Borghese, bis zu
Heft
(2016) 102
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164
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