Heft 
(2016) 102
Seite
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Fritz Landshoff Renommierter Exilverleger  Erler 165 seinem Tod freundschaftlich verbunden blieb. Sie war, als Beauftragte der UN-Seerechtskonvention, in aller Welt unterwegs, und Landshoff wußte köstliche Anekdoten von ihr zu erzählen, wenn er spät nachts mit ihr in Tokio oder Rio oder sonstwo telefoniert hatte. Denn er war ein passionier­ter Telefonierer. Auch meine Bekanntschaft mit ihm begann, einen Tag vor Silvester 1981, mit einem unvergeßlichen Telefonat, dem im Frühjahr 1982 das erste persönliche Treffen in Berlin folgte. Landshoff war damals ausschließlich in der weiten literarischen Welt vom Ende der zwanziger Jahre bis zu den frühen Nachkriegsjahren zu Hause, ausgerüstet mit einem phänomenalen, meist präzisen Gedächtnis, das Anekdoten, Fakten und Geschichten in Hülle und Fülle bereit hielt: die fabelhaften Kochkünste von Marta Feuchtwanger und Nelly Mann waren ihm genauso gegenwärtig wie Details eines dreistündigen Telefonats mit Lion Feuchtwanger, der sich seine Lobhudeleien auf Stalin in dem Reisebe­richt Moskau 1937 nicht ausreden lassen wollte. Die deftigen Bonmots von Joseph Roth erzählte er mit hörbarem Vergnügen, sprach aber mit dem gleichen Enthusiasmus von seinem Briefwechsel mit Johannes R. Becher, dem er die Romane von Leonhard Frank für die DDR ans Herz legte; er trug ohne zu stocken die ersten anderthalb Seiten von Arnold Zweigs Streit um den Sergeanten Grischa auswendig vor und referierte nachdenklich über die zögerliche Haltung Thomas Manns, der die Mitarbeit an Klaus Manns antifaschistischer Zeitschrift Die Sammlung, einem engagierten Querido-Unternehmen, verweigerte. Mit seinen»alten« Autoren, soweit sie noch am Leben waren, stand er in reger Verbindung, ihre Werke suchte er in Verlagen der jungen Bundesrepublik unterzubringen. Doch er konnte nur die Erkenntnis seines Freundes Heinrich Mann bestätigen, der 1949 schrieb:»Wollen Sie gelesen werden, das geht nur im Osten.« Landshoffs Enttäuschung, daß man die Bücher der Exilschriftsteller in den westlichen Besatzungszonen nicht haben wollte, war groß und grenzte an Verbitterung. Deshalb widmete er sich mit voller Kraft seiner Arbeit als Vicepresident des New Yorker Kunstverlages Harry N. Abrams, lebte je­weils ein halbes Jahr in Amsterdam und ein halbes in New York und ver­legte wunderschöne Kunstbücher. Für den alten Fontane war unter solchen Umständen verständlicherwei­se kein Platz, und daß er einer Arbeit über ihn seinen akademischen Titel verdankte, war ihm nach seinem abenteuerlich-segensreichen Exilverle­ger-Leben auch nicht wichtig, zumal er darauf kaum irgendeinen Wert ­legte. Ich denke oft an ein Gespräch während einer S-Bahn-Fahrt, als er plötzlich auf seine selbstironisch-humorvolle Weise fragte:»Wie lange ­wollen wir beiden uns unseren Doktortitel eigentlich noch vorwerfen?« Bald ­danach verständigten wir uns auf das trauliche Du, und unsere Gespräche zur Vorbereitung der Interviews für den Film gewannen deutlich an Tie­fe und Substanz. Ansonsten äußerte er, gewiß ein wenig kokettierend,­