Fritz Landshoff – Renommierter Exilverleger Erler 167 der Voraussetzung, daß ich regelmäßig und hintereinander arbeite. So sitze ich nun seit 3 Tagen vormittags hier und mache mit wechselndem Erfolg Bemühungen, die äußeren Umstände, die mir entgegengekommen sind, auszunutzen und diese Zeit, die ich, von Gott und der Welt abgeschlossen, in meinem Zimmer verbringe, zur ›Herstellung‹ der Doktorarbeit zu benutzen – was freilich nicht immer gelingt, was Sie schon daraus ersehen können, daß ich jetzt so ausführlich an Sie schreibe. – Wenn ich so meine ›Tageseinteilung‹ aufzeichne, könnte ich selbst vor so viel Eifer Respekt bekommen. Doch – ›Hälfte gelogen!‹ Meine vormittägliche Arbeit entbehrt vorläufig jeder Intensität – ich habe auch noch nicht angefangen zu schreiben. – Das Lesen des Manuscripts ist anstrengend und größtenteils nicht gerade sehr sinnvoll, da die Änderungen nicht so erheblich sind und ich meist finde, daß es nachher weder besser noch schlechter war. Das mir zur Verfügung gestellte Zimmer aber ist zur Arbeit wie geschaffen, und vielleicht kommt ›Gottes Segen‹ doch noch einmal über mich.«(Fritz H. Landshoff: Amsterdam, Keizersgracht 333, Querido Verlag. Berlin und Weimar 1991, 193 ff) Dieser»Segen« stellte sich wohl nach den Berliner Studientagen, die offenbar auch ins Märkische Museum zu Otto Pniower führten, tatsächlich ein, nachdem Landshoff klar wurde, daß er mit seiner speziellen Themenstellung, die»Kunstform eines Romans« an Effi Briest zu untersuchen, weitgehend Neuland erobern konnte. Die bis dahin publizierten Arbeiten über Fontane – von Helene Hermann(1912) bis Conrad Wandrey(1919), von Mario Krammer(1922) bis – vor allem – zu Thomas Mann(1919 u.ö.) – waren allenfalls beiläufig auf Handwerklich-Ästhetisches und strukturelle Aspekte eingegangen, hatten vielmehr in unterschiedlicher Intensität die Grundzüge eines Fontane-Bildes des 20. Jahrhunderts zu umreißen gesucht. Inwiefern Schultz in Frankfurt sowie Behrend und Pniower in Berlin auf Landshoffs Arbeit und ihre Intentionen Einfluß genommen haben, kann ich nicht sagen, doch dankt er im Vorspann seiner Dissertationsschrift sicher nicht zufällig gerade diesen dreien. Landshoff ging keineswegs unkritisch, ja sogar mit bestimmten Vorbehalten gegenüber dem Fontaneschen Gesamtwerk an seine Aufgabe, und er hatte vor allem kein systematisch aufbereitetes Instrumentarium zur Verfügung. Seine philologische Methodik ist, genau besehen, eigentlich vor allem vom gesunden Menschenverstand und seinen hohen ästhetischen Ansprüchen geprägt. Nicht zuletzt deshalb aber scheint die Analyse von Effi Briest eine ausgezeichnete Vorbereitung gewesen zu sein auf seine künftige Aufgabe als Lektor und Verleger bei Kiepenheuer und Querido. Er hat sich an Effi Briest die Kriterien erarbeitet, nach denen er später über Manuskripte zu urteilen hatte. In diesem Sinne gedenkt Klaus Mann im Wendepunkt»Landshoffs organisatorischer Erfahrenheit und literarischem Geschmack«. In seiner Dissertation geht Landshoff von der singulären Stellung
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(2016) 102
Seite
167
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