168 Fontane Blätter 102 Vermischtes von Effi Briest im Erzählwerk Fontanes aus und registriert bewundernd, wie der Roman aus einer»Atmosphäre von Müdigkeit«, von körperlicher und geistiger Hinfälligkeit heraus entsteht und doch zum»technisch unzweifelhaft überlegensten Werk« des Autors wird. Im ersten Kapitel analysiert Landshoff die»kreisähnliche oder ringhafte« Struktur des Romans und hebt den»wunderbar klaren Aufbau« hervor, der»von seltener Durchsichtigkeit« sei. Er beschreibt überzeugend das Prinzip der»Vordeutung«(deren Perfektion und Häufigkeit er an anderer Stelle auch kritisch sieht), die dramaturgisch sorgfältig bedachte Funktion von Briefen, Dialogen und Monologen und beschreibt die sinnfällige Komposition jedes einzelnen Kapitels. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den verschiedenen Aspekten der Charakteristik und ist in den Passagen über Effi und Innstetten durchaus lesenswert, zumal es allgemein auf die Darstellung des Menschen bei Fontane, auf seine humanistische Grundhaltung und seine kritische Sicht auf die Gesellschaft, der sie zugehören, gerichtet sind. Das dritte Kapitel schließlich ist Fontanes Stil gewidmet und der Frage, wie er seine Figuren sprechen läßt. Die Quintessenz lautet: es sei»von besonderer Wichtigkeit, auf Züge hinzuweisen, die innerste Verwandtschaft mit der jungen Generation zeigen und F. als den erscheinen lassen, der er gewißlich ist: als wahren Realisten, der Realist ist, dem Geist und Sinne, nicht dem Wort nach«. Im»Schluß«-Abschnitt kommt Landshoff explizit auf Innstetten und dessen Debatte mit Wüllersdorf zurück, um nach dem»weltanschaulichen Gehalt«, nach»dem Ethos der ›Effi‹« und»Fontanes Persönlichkeit und seiner Gesamteinstellung« zu fragen. Landshoff lehnt(1926!) energisch die verbreitete Auffassung ab,»eine gewisse konziliante Anschauungslosigkeit und Liebenswürdigkeit« seien»der Kern Fontanischen Wesens«. Er postuliert dagegen: »Nein! Es liegt vielmehr – meiner Meinung nach – so: seinem innersten Wesen nach ist F. preußisch – ja(in übertragenem Sinn) soldatischer Mensch, tief verwurzelt in den Traditionen eines fridericianischen Preußens. Daß mit den Begriffen ›preußisch und soldatisch‹ nichts Äußerliches gemeint ist, sondern ein ›ineffabile‹, das u.a. in Zucht und Verschlossenheit Ausdruck findet, ist selbstverständlich. Ein Hinweis auf Thomas Mann wird vielleicht zur Klärung dieser Begriffe mit beitragen können. Sie entsprechen der gleichen Einstellung, die Thomas Mann so oft erstrebt und die sich an der Charakterisierung des Schriftstellers als soldatischen Menschen am Beginn des ›Tod in Venedig‹ ausdrückt. Diese Einstellung entspricht einer Anschauungsweise, die sich – primitiv ausgedrückt – in den Sätzen ausdrücken läßt: es gibt eine Grenze – wer sich ihr nicht beugt, geht notwendig zugrunde – so notwendig, daß ein Untergang durchaus als Sühne und darum weniger als Tragik empfunden wird.«
Heft
(2016) 102
Seite
168
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