Heft 
(2016) 102
Seite
172
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172 Fontane Blätter 102 Vermischtes Erler: Ihr Querido-Verlag hatte von Anfang an große Publizität. Eins der ersten Bücher war Heinrich Manns Essaysammlung Der Haß(gerade im Aufbau-Verlag wieder vorgelegt). Es gab zwei Auflagen 1933, und die Re­sonanz auch auf kommunistischer Seite war beträchtlich; ich denke an Hans Günthers Buch Der Herren eigner Geist. Den zweiten Essayband, Es kommt der Tag, überließen Sie Oprecht in Zürich, weil Sie Repressalien der holländischen Regierung fürchten mußten. Hat sich im Zusammenwirken mit den verschiedensten Autoren die Tatsache ausgewirkt, daß Heinrich Mann zum Beispiel mit seinen prononcierten, progressiven Essays bei Querido war? Daß er später einer der Hauptinitiatoren der Volksfrontbe­wegung wurde? Daß Sie Feuchtwangers enthusiastischen Reisebericht Moskau 1937 brachten? Landshoff: Der Verleger Querido hat zu keinem Zeitpunkt zu irgendwel­cher besonderen Vorsicht angeraten. Querido war überzeugter Sozialist und überzeugter Antinazi; groteskerweise war er auch etwas antideutsch. Die Tatsache, daß wir Die Sammlung herausbrachten und daß wir ein Buch wie den Haß veröffentlichten, hat den Verlag ein wenig radikaler erscheinen lassen als etwa Allert de Lange(obgleich dort Brecht und Kisch erschienen), zumal die Zahl der parteiver- und-gebundenen Autoren bei Querido grö­ßer war. Manche Autoren waren in der Tat besorgt, sich in der Gesellschaft von politisch besonders exponierten Kollegen genannt zu finden. Erler: In ungezählten Zeugnissen der antifaschistischen Exilliteratur taucht Ihr Name mit Selbstverständlichkeit auf, und Sie sind ja auch nach der Querido-Zeit, die 1940 mit dem Einmarsch der Nazitruppen in Holland ein jähes Ende fand, ein passionierter Büchermacher geblieben. Wie sehen Sie heute, nach diesem folgenreichen Leben, die Möglichkeiten, die Funk­tion des Verlegers? Landshoff: Ich glaube, daß der Verleger in den früheren Jahren eine wichtigere Rolle spielen konnte, als er es heute kann. Der Verlegerberuf ist in den Nachkriegsjahren mehr und mehr kommerzialisiert worden. Leute wie Kippenberg oder Fischer, Rowohlt oder Kiepenheuer oder Münzen­berg und Herzfelde sind sehr andere und in ihrer Wirksamkeit unvergleich­lich subtilere Verleger gewesen als heute die Springerleute oder die Häup­ter von Konglomeraten ähnlicher Art. Erler: Herr Landshoff, Sie haben als Verleger alten Stils, bei dem die Verbindung zwischen Autor und Verleger noch direkt und produktiv war, das Erbe des Querido-Verlages entscheidend mitgeprägt. Was aber ist nach dem Kriege aus jenen über hundert Büchern Ihres Verlages geworden, die nun erstmals in Deutschland hätten wirken können und sollen? Landshoff: Verleger und Autoren der Exilliteratur erfuhren die große Enttäuschung, daß sie und ihre Bücher nach 1945 eben nicht mit Glanz und Gloria hereingeholt wurden, denn es bestand eine ganz ausgesprochene Zurückhaltung gegenüber dieser Literatur. Dabei muß insbesondere ­gesagt