Heft 
(2016) 102
Seite
173
Einzelbild herunterladen

Interview mit Fritz Landshoff  Erler 173 werden, daß sowohl die Bundesrepublik als auch die Besatzungsbehörden auf diesem Gebiete nicht gerade in der glücklichsten Weise zusammengear­beitet haben. Andererseits ist erst in der Ostzone und später in der DDR eine viel größere Bereitwilligkeit gewesen, die Lücke, die 1933 entstanden ist, zu füllen und sich mit dieser Zeit zu beschäftigen. Weite Kreise der emi­grierten Autoren fanden bei Ihnen recht schnell ein großes Publikum. Es ist sehr merkwürdig, daß selbst so gutwillige Verleger wie Berthold Spangen­berg in München, der eine Gesamtausgabe von Leonhard Franks Werken herausbringen wollte, schlecht dafür belohnt wurden: die Bücher sind ein­fach nicht gegangen. Wie dann der Aufbau-Verlag sich Franks angenom­men hat, erreichte der Autor von Beginn an ein sehr breites Publikum, und so ist es mit den anderen Autoren auch gegangen. Erler: Wie erfuhren Sie nach dem Kriege von den Bemühungen des Au f bau-Verlages? Landshoff: Autoren, mit denen ich besonders freundschaftlich stand, wie Leonhard Frank und Anna Seghers, haben mich frühzeitig aufmerk­sam gemacht, und ich hatte mich natürlich selbst orientiert. Erler: Wir sind ja im Aufbau-Verlag, von Briefkontakten in den vierziger Jahren abgesehen, auch erst spät auf Sie als einen unserer Wegbereiter ge­stoßen, und wir sind sehr froh, daß Sie uns zur Aufarbeitung unserer eige­nen Verlagsgeschichte ein Stück Vorgeschichte rekapitulieren, indem Sie jetzt für uns den Querido-Verlag beschreiben. Landshoff: Ich glaube, daß Sie mich in meinen Aktivitäten von 1933 an überschätzen. Zumal ich mir selbst die Schuld gebe, daß ich um 1948 herum nicht viel hartnäckiger versucht habe, bei der Verbreitung der Literatur be­hilflich zu sein, für die ich mich als junger Mensch eingesetzt und die ich während der Emigrationszeit zu fördern mich bemüht habe. Es ist nicht richtig zu sagen, die Verlage hätten sich an mich wenden müssen; ich war ein damals noch nicht alter Mann, ich hätte deutlich sehen müssen, was meine Aufgabe in dieser Zeit gewesen wäre, und ich habe es versäumt. Erler: Ich glaube, vor der historischen Leistung, die Sie als legendärer Chef des Amsterdamer Querido-Verlages vorweisen können, sollte man die­se»Schuld«, wenn sich davon überhaupt sprechen läßt, nicht aufrechnen.