Heft 
(2016) 102
Seite
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174 Fontane Blätter 102 Vermischtes In memoriam Otfried Keiler. 21. Februar 1931 16. Juli 2016 Peter Schaefer Die Fontane-Freunde müssen Abschied nehmen von Otfried Keiler. Den Äl­teren unter ihnen wird er als Leiter des Fontane-Archivs in der Zeit von 1980 bis 1987 in Erinnerung sein, aber auch als streitbarer Anreger und als jemand, der Brücken schlug. Während seiner Tätigkeit als Archivleiter war er gleichzeitig Chefredakteur der Fontane Blätter, denen er noch bis 1994 als Beiratsmitglied verbunden blieb. In Breslau geboren, studierte er unter anderem bei Hans Mayer in Leip­zig Literaturwissenschaft und war lange Jahre als Hochschullehrer an der Pädagogischen Hochschule in Potsdam tätig. Hier hatte er 1972 mit einer Arbeit über englische Komödien und Tragödien promoviert. Seine Studen­ten erinnern sich an ihn als engagierten, vielfältig literarisch interessierten Lehrer, der sich, so war unschwer zu bemerken, an der stark verschulten Bildungseinrichtung im kleineren der beiden deutschen Staaten nicht be­sonders wohl gefühlt hatte. Keilers Interesse galt vor allem der Realismus­forschung, aber auch der in der DDR erscheinenden Gegenwartsliteratur. Ästhetisch oder politisch abweichende Meinungen von Studenten ließ er, wenn sie gut begründet waren, zu. Es kam vor, dass er nach einer mit Schär­fe geführten abendlichen Diskussion im Studentenwohnheim einem ent­fernt wohnenden Studenten seine Autotür öffnete und den Kontrahenten nach Hause fuhr, auch wenn dies einen Umweg bedeutete. Als Leiter des Theodor-Fontane-Archivs der Deutschen Staatsbiblio­thek wurde Otfried Keiler der Nachfolger von Joachim Schobeß. Mit tfried Keiler begann eine neue Ära des Fontane-Archivs. Als Literaturwissen­-­schaftler brachte er einen anderen Blick auf die Möglichkeiten eines klei­nen Literaturarchivs mit. Er bemühte sich um Kooperationen mit staat­lichen Einrichtungen in einer Zeit, in der das Archiv auf dem Autographen­markt mangels Devisen nicht tätig werden konnte, um wenigstens die in der DDR vorhandenen Handschriften Fontanes in Potsdam zusammenzu­führen und für die Forschung zu erschließen. Wer ihn in dieser Funktion erlebt hat, wird sich an sein außerordentlich charmantes, ­gewinnendes