Heft 
(2016) 102
Seite
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176 Fontane Blätter 102 Vermischtes kulturpolitisch, benutzte dabei auch die Sprache des herrschenden Systems und dessen Argumentationslinien, um Ziele zu erreichen, die jenseits der engen Grenzen des Vorgegebenen lagen. Er entwickelte eine genaue, feste Vorstellung von den Aufgaben des Fontane-Archivs und warb engagiert für seine Sicht der Dinge. Entgegen den klassischen Vorstellungen von ei­nem Literaturarchiv als lediglich verwaltender, bewahrender Einrichtung griff er auf, was sein Vorgänger angelegt hatte: statt zu warten, bis jemand kam, der die vorhandenen und noch zu hebenden Schätze auswerten wür­de, suchte er selbst nach möglichen Herausgebern, arbeitete diesen zu, reg­te an, knüpfte Kontakte, informierte, lud unterschiedlichste Interessenten ein, baute die Rolle der Fontane Blätter aus und warb unermüdlich um Zu­stimmung für seine unkonventionelle Sicht der Dinge. Wer das Glück hatte, bei der Fontane-Konferenz im Juni 1986»Theodor Fontane im literarischen Leben seiner Zeit« dabei zu sein, wird sich an eine außergewöhnliche Veranstaltung erinnern. Siebzehn Jahre waren seit der letzten größeren Konferenz vergangen. Dr. Keiler hatte die inhaltlich ambi­tionierte Tagung bestens vorbereitet und war doch skeptisch, ob das Zu­sammentreffen von Ost und West das erwünschte Gespräch und dann auch den erhofften Ertrag würde erbringen können. Doch es gelang. Der mittlere Fontane wurde als Forschungsgegenstand etabliert, was vor allem Peter Wrucks Verdienst war. Ältere Teilnehmer berichten, dass sie die souveräne Leitung der Tagung sehr beeindruckt hatte, einschließlich Otfried Keilers Umgang mit den amtlicherseits ver­ordneten Beobachtern, die wie Fremdkörper am Rande saßen. Wenn ­Keiler sprach, offen und neugierig, schien es keine Grenzen zu geben. Er demonstrierte nachgerade, was zeitgemäßer Umgang auf internationalem Terrain heißt: floskelfrei, persönlich im Ton, ohne Anbiederei und ohne jene misslichen devoten Gesten in alle Richtungen: sei es den Gästen aus dem Westen gegenüber, sei es dem kulturpolitischen Begleitpersonal der Tagung ­gegenüber. Angstfrei. Die Fenster waren geöffnet, nicht nur wegen der großen Sommerhitze, die auf diesem Juni lag. Die dem Archiv von in­und ausländischen Fontanefreunden bis dahin schon entgegengebrachte Achtung erfuhr noch einmal eine beträchtliche Steigerung. So zählt zum Ergebnis dieser Potsdamer Tagung nicht nur der von Otfried Keiler unter schwierigen Bedingungen herausgegebene Band mit den Konferenzbeiträ­gen in der Reihe»Beiträge aus der Deutschen Staatsbibliothek«, sondern das von ihm so glücklich organisierte gegenseitige Kennenlernen, das die Grundlage für spätere vielfältige Zusammenarbeit bildete. Bei seinen Vorgesetzten, die in ihm vorrangig einen Archivverwalter sehen wollten, stieß er mit seiner unangestrengten Eloquenz und seinem scheinbar unbefangenen Auftreten als Intellektueller überwiegend auf Skepsis, auch auf Ablehnung. Umso höher müssen seine Verdienste angese­hen werden. Er schaffte es, die institutionelle Verankerung des Archivs,