Heft 
(2015) 100
Seite
56
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56 Fontane Blätter 100 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Auf der Treppe von Sanssouci. Fontanes Hommage an Adolph Menzel Brunhilde Wehinger Die Gründe für das anhaltende Interesse an Theodor Fontanes Werk sind nicht nur vielfältig, sondern auch wandelbar: Jede Generation scheint bis­lang eine bestimmte Seite des facettenreichen Œuvres bevorzugt und diese von ihrem in der eigenen Gegenwart verorteten Standpunkt aus beson­ders geschätzt zu haben. Wie selbstverständlich Fontane Teil des kulturel­len Gedächtnisses mittlerweile ist, zeigt sich u. a. darin, dass er ein gutes Jahrzehnt nach der deutschen Wiedervereinigung in die Deutschen Erin­nerungsorte aufgenommen wurde. Fontane figuriert dort in der prestige­reichen Abteilung der»Dichter und Denker« zwischen den Weimarer Kul­turheroen und der»Familie Mann«. Seine Popularität, seine Präsenz im kulturellen Gedächtnis der Deutschen beruht auch zu Beginn des 21. Jahr­hunderts weitgehend auf seinen Wanderungen durch die Mark Branden­burg(1862–1881), die von der Fontane-Forschung als eines der Hauptwerke Fontanes betrachtet werden. 1 Auch die eine oder andere im Schulbuch ka­nonisierte, vielleicht in Kindertagen einmal auswendig gelernte Ballade (allen voran Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, 1889), der Stechlin (1897) und der sagenumwobene Stechlinsee als Ausflugsziel sind Bestand­teile der kulturellen Erinnerungsorte. 2 Wir würden Effi Briest, den aufla­genstärksten Fontane-Roman, hinzufügen. Neben der kulturtouristischen Renaissance der brandenburgischen Erinnerungsorte, wie sie in Fontanes märkischem Erinnerungsbuch, den Wanderungen, und den beliebten Wanderungen-Remakes 3 aufscheinen, sind es Fontanes Gesellschaftsro­mane, die wir mehr als einmal lesen möchten, denn sie faszinieren nach wie vor nicht zuletzt dank des fein ziselierten, kolloquialen Schreibstils, der unübertroffen gestalteten Causerien, des subtilen Humors. 4 Im Gedicht An meinem Fünfundsiebzigsten ein Gelegenheitsgedicht anlässlich seines eigenen Geburtstages stellt Fontane die damals popu­lärsten Themen seines literarischen Schaffens zusammen und nennt an erster Stelle die Wanderungen, die historischen Arbeiten, die Schilderung von»Land und Leuten«, die Geschichte des preußischen Adels, der»Welt«