Heft 
(2015) 100
Seite
58
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58 Fontane Blätter 100 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte ­jugendliche Poet greift ein Thema auf(es lag in den 1830er Jahren ­sozusagen in der Luft), das ihn sein Leben lang immer wieder beschäftigte: Friedrich II. und seine Zeit. Das frühe Fontane-Gedicht bezieht sich er­staunlicherweise auf Krieg und Niederlage. Die Schlacht bei Hochkirch (1758) steht für eine verheerende Niederlage der friderizianischen gegen die österreichische Armee. Auch Adolph Menzel hat die Schlacht bei Hoch­kirch dargestellt: eine erste Variante für die Illustrierung der Geschichte Friedrichs des Großen von Franz Kugler 9 , in den 1850er Jahren in seinem Gemälde Friedrich II. und die Seinen in der Schlacht bei Hochkirch(14. Ok­tober 1758) ein monumentales Werk(295 x 378 cm; entstanden zwischen 1850 und 1856), das die damalige Historienmalerei herausforderte und die Kunstkritik irritierte. Menzel gestaltete die Bildregie so, dass die Betrach­ter/innen zuerst die Soldaten auf der vordersten Ebene wahrnehmen und erst auf den zweiten Blick die alles andere als heldenhaft dargestellte Figur des Feldherrn und Königs, die einem zeitgenössischen Kunstkritiker den Eindruck vermittelte, sie gleiche»einem fahlen Gespenst«. 10 Die Schlacht bei Hochkirch begegnet uns bei Fontane erneut: zu Beginn seines Romans Die Poggenpuhls(1896), der vierzig Jahre nach Menzels Monumentalge­mälde erschien. Hier steht das alte Thema jedoch unter einem anderen Vor­zeichen, nämlich dem der lachenden Satire, der Komik und des Humors: Wir befinden uns am Ende des 19. Jahrhunderts, im Empfangssalon der Familie Poggenpuhl. Dort hängt ein riesiges Ölgemälde»dritten oder vier­ten Ranges«, das eine Szene aus der Schlacht bei Hochkirch darstellt, also jener Schlacht, die vor fast anderthalb Jahrhunderten(tatsächlich) statt­fand und an der einer der Poggenpuhlschen Vorfahren als Major beteiligt war, nämlich»der ›Hochkircher‹ wie der Hochkirch-Major zur Unter­scheidung von vielen andern Majors der Familie genannt wurde«. 11 Das Gemälde hat für die(inzwischen eher arme) Familie P. einen vom Erzähler mit viel Humor aufgerufenen»Familienaffektionswert«, weshalb es»in ei­nen breiten und stattlichen Barockrahmen eingefasst« ist, mit dem das Dienstmädchen Friederike allerdings auf Kriegsfuß steht, weil das Bild beim Abstauben jedes Mal herunterfällt. Sie kommentiert dies entspre­chend respektlos und bewirkt aufseiten der Leserschaft damit sympathi­sierende Heiterkeit. 12 Fontane und Menzel teilten in den Jahren des Vormärz das liberale Denken und die Hoffnung auf eine Demokratisierung der preußischen Ge­sellschaft. 13 In jenen Jahren verfasste Fontane seine populär gewordenen »Preußenlieder« 14 , teils kritische, teils patriotische, immer amüsante Verse, die er in Tageszeitungen oder(Unterhaltungs-)Zeitschriften wie Die Eisen­bahn, Die illustrierte Frauen-Zeitung, dem Berliner Figaro veröffentlichte. Er versuchte sich in allen Varianten der Poesie, hatte keine Berührungs­ängste mit dem als trivial desavouierten Gelegenheitsgedicht oder den Zeitschriften, die seine Verse publizierten. Aus den bewegten Zeiten des