62 Fontane Blätter 100 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Ich les da täglich jetzt in den Gazetten Von Menzelfest und siebzigstem Geburtstag, Ausstellung von Tableaux und von Peintüren Und ähnlichem. Ein großer Lärm. Eh bien, Herr, Was soll das? Kennt Er Menzel? Wer ist Menzel?« Und dabei flog ein Zug um seinen Mund, Als wiss’ er selber Antwort auf die Frage. »Zu Gnaden Majestät«, begann ich zögernd, » Die Frag ist schwer, das ist ein Doktorthema; Mein Wissen reicht bis Pierer nur und Brockhaus. Ja, wer ist Menzel? Menzel ist sehr vieles, Um nicht zu sagen alles; mindstens ist er Die ganze Arche Noäh, Tier und Menschen: Putthühner, Gänse, Papagein und Enten, Schwerin und Seydlitz, Leopold von Dessau, Der alte Zieten, Ammen, Schlosserjungen, Kathol‘sche Kirchen, italien’sche Plätze, Schuhschnallen, Bronzen, Walz- und Eisenwerke, Stadträte mit und ohne goldne Kette, Minister, mißgestimmt in Kaschmirhosen, Straußfedern, Hofball, Hummer-Mayonnaise, Der Kaiser, Moltke, Gräfin Hacke, Bismarck –« »Outrier’ Er nicht.« »Ich spreche nur die Wahrheit. Bescheidne Wahrheit nur. Er durchstudierte Die groß und kleine Welt; was kreucht und fleucht, Er gibt es uns im Spiegelbilde wieder. Am liebsten aber(und mir schwoll der Kamm, Ich war im Gang, ›jetzt oder niemals‹ dacht ich), Am liebsten aber gibt die Welt er wieder, Die Fritzen-Welt, auf der wir just hier stehn! Im Rundsaal, vom Plafond her, strahlt der Lustre, Siebartig golden blinkt der Stühle Flechtwerk, Biche(›komm, mein Bichechen‹) streift die Tischtuch-Ecke, Champagner perlt und auf der Meißner Schale Liegt, schon zerpflückt, die Pontac-Apfelsine...« »Nun laß‘ Er nur. Ich weiß schon.« Und er lüpfte Den Hut und ging. Doch sieh, nur wenig Schritte, So hielt er wieder, wandte sich und winkte
Heft
(2015) 100
Seite
62
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