Issue 
(2015) 100
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Auf der Treppe von Sanssouci Wehinger 65 der als Drucke weitverbreiteten Menzel-Werke das Bild vor Augen hatten. Das trifft noch mehr auf die Figur des Königs zu, wie Fontane sie im Ge­dicht auftreten lässt und wie Menzel sie dem kollektiven Bildgedächtnis des zeitgenössischen Publikums unverwechselbar eingraviert hat:»Im Frackrock, hinter ihm das Windspiel[], dazu Krückstock/ Und Hut und Stern« bezeichnenderweise nur in Begleitung eines seiner Lieblingshun­de mit dem französischen Namen Biche(Liebling), der im Park Sanssouci begraben liegt. 23 Auf den ersten Blick erscheint der aus dem»Buschwerk«(oder aus Men­zels Bilderwelt?) heraustretende König wie ein Gespenst, das dem die Treppe hinaufsteigenden Spaziergänger einen Schrecken einjagt und ihn kurz einschüchtert. Die Eingangsszene erinnert ein wenig an ein Nacht­stück. Mit wenigen Versen entwirft das lyrische Ich die düstere Atmosphä­re einer eisigkalten Winternacht im menschenleeren Schlosspark(in dem um diese Zeit selbst von der Wache nichts zu hören ist):»die Sterne blink­ten, blitzten«, Bäume und Sträucher werfen ihre nächtlichen Schatten dünne, durchsichtige,»wie Schatten nur von Schatten«; es herrscht»tiefe Stille«, die zu Mitternacht vom Glockenspiel aus der nahe gelegenen Stadt nur kurz unterbrochen wird. Welche Melodie die Glocken der Potsdamer Garnisonskirche spielen, wird nicht gesagt; um 1885 wissen das vermut­lich nicht nur die Potsdamer. Die Melodie erklang allerdings erst seit dem Jahre 1797:»Üb immer Treu und Redlichkeit«; sie gehört nicht in die Zeit Friedrich II., wie Fontane und Menzel sie darstellten und interpretierten. Die Hommage an Menzel zum 70. Geburtstag gestaltet Fontane so, dass die anfangs gespenstisch-düstere Atmosphäre sich aufklärt: Das lyrische Ich steigt die Treppe von Sanssouci hinauf»Von Marly kommend und der Friedenskirche,/ Hin zum Bassin[]/ Stieg ich treppan«. In der Symbolik des Raums setzt die Bewegung»treppan« ein positives Vorzeichen; der Aufstieg verspricht demjenigen, der die Treppe hinaufgeht, Helligkeit und Licht zu erblicken. Hier ist es das» Fritzen-Auge«, der Blick des Königs, der den Dichter fesselt»Das Fritzen-Auge bannte mich zur Stelle«. Friedrichs Blick beziehungsweise seine Augen wurden schon von den Malern der we­nigen zeitgenössischen Friedrich-Porträts wirkungsvoll hervorgehoben. In Menzels Brustbild Friedrich des Großen als Kronprinz(um 1841) sind die Augen des Porträtierten ebenfalls so stark betont, dass wir zuerst die In­tensität seines Blicks wahrnehmen. 24 Die kunstvollen Blankverse, der Wechsel zwischen langen und kurzen Strophen, Frage und Antwort, schnelle Wortwechsel, direkte Rede, das Beiseitesprechen, die sich steigernden Aufzählungen, sachliche Erläute­rungen und Beschreibungen bewirken, dass das stark rhythmisierte Ge­dicht tempo- und abwechslungsreich wirkt. Im Mittelpunkt steht die Un­terhaltung zwischen dem lyrischen Ich(in der Rolle des Dichters) und dem König. Fontane, der Virtuose des Konversationsromans, bevorzugt auch