66 Fontane Blätter 100 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte hier das Dialogische. Mit dem quasi bühnenreifen Beiseitesprechen der beiden Gesprächspartner und vor allem den vielfältigen Anspielungen, die Andreas Beck als»intertextuelles Feuerwerk, das dieser Text hochvirtuos mit hübschem Knalleffekt« abbrenne, detailliert rekonstruiert hat 25 , werden die Leser/innen in ihrer Kennerschaft angesprochen und in das Geschehen einbezogen. Als Lesende wohnen wir dem Zwiegespräch zwischen Dichter und König, der seinerseits dichtete, bei. Zum Auftakt des Gesprächs kommt sogleich die Poesie ins Spiel: Der Philosophe de Sanssouci(so lautet die Selbstbezeichnung Friedrich II. als Schriftsteller, der wie Fontane sein Leben lang ›Verse schmiedete‹) kennt sich sozusagen aus. Er weiß aus eigener Erfahrung, was es bedeutet,»Verse zu machen«, wie das Dichten hier mit einer subtil ironischen Geste der Bescheidenheit bezeichnet wird. Dass mit dem»Verse machen« mehr Spott als Ruhm und Ehre einhergeht, scheinen beide zu wissen. Dass der König seine Verse ausschließlich auf Französisch verfasste und vor allem Gelegenheitsgedichte, Gedankenlyrik, Lehrgedichte im Denkhorizont der westeuropäischen Aufklärung schrieb, traf im späten 19. Jahrhundert auf wenig Verständnis und wurde eher als Verrat an der deutschen Literatur (miss)verstanden. Schon zu Lebzeiten erntete Friedrich II. als Poet und Verfechter der Vorbildhaftigkeit der französischen Literatur lautstark Widerspruch – ganz abgesehen davon, dass seine Gedichte auf dem Index der verbotenen Bücher standen. 26 Fontane spielt auf Friedrichs Bevorzugung der französischen Sprache an und legt ihm dreimal eine pointierte französische Wendung in den Mund; besonders ironisch klingt der Ausruf»Poëte allemand!« – als bringe es der König nicht übers Herz, auf Deutsch»deutscher Dichter« zu sagen. Immerhin, scheint er sagen zu wollen, man dichte nun auch auf Deutsch und»Berlin wird Weltstadt« – eine spöttische Anspielung auf den Titel einer Berliner Posse aus dem Jahre 1850 und auf das Großspurige der Berliner Selbstwahrnehmung als Metropole in den so genannten Gründerjahren nach der Reichsgründung. Wenn es im Folgenden auch um den klassischen Wettstreit von Pinsel und Feder oder von Auge und Ohr als Erkenntnisorganen(bekanntlich wirken Gedichte am besten, wenn sie laut gelesen und gehört werden) geht, so wird schnell erkennbar, dass es Fontane darauf ankommt, der Poesie und der Malerei gleichrangige Wertzuschätzung zuzuschreiben. 27 Es bedarf, wie es das Gedicht vorführt, der literarischen Imagination, um die von Menzel geschaffenen Friedrich-Figuren kongenial zum Sprechen zu bringen. Der als Geist hier auftretende König ist weder als HohenzollernFürst noch als Feldherr, sondern ohne jede Heldenpose als Dichter, Philosoph und Menzel-Kenner konzipiert. Anlässlich des»großen Lärms« um Menzels Geburtstag, stellt der über die Aktualität der Gegenwart offenbar gut informierte Friedrich dem lyrischen Ich zwei Fragen:»Kennt Er Menzel?« und»Wer ist Menzel?« Dass die Friedrich-Figur den Eindruck
Issue
(2015) 100
Page
66
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