Auf der Treppe von Sanssouci Wehinger 69 den Künstler nicht jene Bilder, die den König als Helden der preußischen Geschichte(politisch) lesbar machten, sondern Bilder zur»Musik« und zur »Konversation«, Szenen der gebildeten, unterhaltsamen, geselligen Musik-, Gesprächs- und Esskultur, kurz: Sanssouci in Friedenszeiten(um 1750) als Symbolort für(sehr) kurze Momente einer grenzüberschreitenden, europäischen Kultur, die den Genuss nicht verachtet, Philosophie, Kunst, Wissenschaft nicht auseinanderdividiert, Persönlichkeiten aus verschiedenen Ländern(insbesondere aus Frankreich!) zusammenbringt. Der junge König(im Zentrum der beiden Bilder positioniert) partizipiert an dieser Kultur, fördert sie. Dennoch wird das Gedicht nicht zur Friedrich-Hagiographie, denn Fontane lässt den fiktiven Friedrich intervenieren(»Nun laß Er nur. Ich weiß schon«), um die soeben erst begonnene Präsentation der Sanssouci-Bilder abrupt zu beenden. Die Wirkung dieser so kurz gefassten Evokation der beiden, dem zeitgenössischen Publikum allseits bekannten Gemälde gründet nicht zuletzt in der Ökonomie der Verse: Für das Flötenkonzert benötigt Fontane nur einen einzigen Vers:»Im Rundsaal, vom Plafond her, strahlt der Lustre«. Es ist der von Menzel besonders stark betonte prunkvolle Kronleuchter, den er so prächtig glänzen lässt, dass dessen Lichter in den großen Spiegeln des Musikzimmers reflektiert werden, sich brechen, vervielfachen, flackern, sogar das Parkett zum Leuchten bringen. Friedrich als Flötenspieler steht bei Menzel im Mittelpunkt des Bildes, Fontane erwähnt ihn im Gedicht jedoch nicht. 32 Seine Vergegenwärtigung des Flötenkonzerts wird zu einer Erinnerung an den strahlenden»Lustre«. Der Kronleuchter steht für den hellen Glanz einer imaginierten Kultur(-Idee) von Sanssouci. Der poetischen Vergegenwärtigung der Tafelrunde widmet Fontane vier Verse und gewichtet die Bedeutung dieses Gemäldes für die Friedrich-Ikonographie somit etwas stärker als die des Flötenkonzerts. Der ursprüngliche Titel der Tafelrunde lautete:»Friedrich der Große unter seinen Freunden und Gesellschaftern«. 33 Es ist Menzels Hinweis auf seine Interpretation der friderizianischen Hofkultur, die nichts mehr mit barocker Inszenierung à la Versailles zu tun hat, sondern bereits Formen bürgerlicher Geselligkeit impliziert. 34 Fontane ruft die Tafelrunde mit folgenden Versen ins Gedächtnis und setzt dabei die Kenntnis des Gemäldes voraus: Siebartig golden blinkt der Stühle Flechtwerk, Biche(›komm, mein Bichechen‹) streift die Tischtuch-Ecke, Champagner perlt und auf der Meißner Schale Liegt, schon zerpflückt, die Pontac-Apfelsine … Die Auswahl der wenigen, viel sagenden Details wiederum überrascht: das Flechtwerk der Stuhlrücken(eine Leerstelle innerhalb der Bildregie, die die Aufmerksamkeit auf die Pinselführung lenkt 35 ), die Hündin Biche(sie hat ihren ersten Auftritt bereits in der ersten Strophe), das Tischtuch
Issue
(2015) 100
Page
69
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