Issue 
(2015) 100
Page
70
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70 Fontane Blätter 100 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte ­(genauer: eine Tischtuch-Ecke wie auf dem Gemälde), Champagner, eine Meißner Schale mit Apfelsinenstückchen in Rotwein Friedrich unter­bricht den Menzel-Enthusiasten, denn er weiß Bescheid. Die erwähnten De­tails der Tafelrunde zu Sanssouci könnten auch in einem bürgerlichen Salon des 19. Jahrhunderts zu finden sein, vielleicht mit Ausnahme des friderizia­nischen, hochgradig symbolischen Windspiels, das Menzel zwischen den beiden Rückenfiguren im Vordergrund unter dem Tisch hervorkom­men lässt, vom Tischtuch halb verdeckt, unbemerkt von der Tisch­gesellschaft. Diese unterhält sich lebhaft, ungezwungen und sichtlich mit Vergnügen. Man ist beim Champagner und der Nachspeise angelangt. Die Stimmung wirkt heiter; das Tageslicht erhellt den Raum, und Menzel lenkt den Blick durch die weit offen stehende Terrassentür auf den Park. Welche Personen an Menzels malerischer Tafelrunde teilnehmen, wird in der letzten Strophe des Gedichts angedeutet; doch namentlich genannt werden nur zwei deut­sche Gäste: der friderizianische General Stille und der Diplomat in Fried­richs Diensten, Graf Rothenburg; beiden hatte Friedrich Gedichte gewid­met. Keine Rede ist von den ausländischen Gästen, Schriftstellern und Philosophen Algarotti, La Mettrie, dArgens, Maupertuis, die Menzel als Teilnehmer seiner Tafelrunde gemalt hat. In der letzten Strophe dreht sich die Unterhaltung schließlich um die Frage, mit welchem Geburtstagsgeschenk der König den Künstler erfreuen könnte. Die Antwort lautet: Menzel ist mit allen Gütern dieser Erde geseg­net, mit»Ansehn, Ehre, Titel, Ordenskreuze/(Pour le mérite, natürlich Friedensklasse 36 ),/[...] Freunde, Mut und Glück«, vor allem habe er seine Kunst, ihm fehle nichts. Die abschließenden Verse, die Fontane Friedrich in den Mund legt, heben an mit einem Lob Menzels, vielleicht mit dem höchsten Lob, das der Philosophe de Sanssouci zu vergeben hat. Der Künst­ler wird zum Philosophen erhoben(auf Französisch und im französischen Sinn des Wortes): Comme philosophe! das heißt, er hat als Künstler-Phi­losoph die richtige, die philosophische Einstellung zum Leben, zur Kunst. Menzel verdient es, zum philosophischen Souper nach Sanssouci eingela­den zu werden. Das wäre zwar erst nach dem Tode möglich, denn die Tafel­runde findet seit Friedrichs Tod im Jenseits statt; doch dieses Jenseits ist nicht das christliche Paradies, sondern die Insel der Glückseligen im Sinne des antiken Denkens:»Sanssouci; sie nennens Elysium droben, doch es ist dasselbe.« Dort versammelt sich»die ganze Tafelrunde«, dort werden die Gespräche, die Geselligkeit und Gastfreundschaft fortgesetzt wie Menzel sie auf seiner Tafelrunde dargestellt hat. Er wird sich also in guter Gesell­schaft befinden. Doch»seit Anno 70« fehlt der Teilnehmer par excellence:»Herr von Vol­taire« die markanteste und berühmteste Figur der Tafelrunde. Ohne Vol­taire ist Menzels Tafelrunde aber kaum vorstellbar. Fontane spielt mit der maliziösen Charakterisierung Voltaires»Franzose, rapplig« einerseits