82 Fontane Blätter 100 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte abgerückt werden:»Wie ich selber zum Beamten verdorben bin, so hab ich auch kein Gefühl für solche dürre Beamtenhaftigkeit; sie ist lähmend und erscheint mir einfach als Philisterei.« 31 Fontane als»novellistischer Archivdirektor der Mark Brandenburg«. Zum Archivkomplex in den Wanderungen durch die Mark Brandenburg In Fontanes vaterländischem Werk sind es neben den Kriegsbüchern gerade die Wanderungen, die sich neben dem Archivischen aus zwei weiteren Dimensionen des Archivkomplexes speisen, dem Archivarischen und vor allem dem Archivalischen. Von Fontane 1882 als»ganz neue Art« charakterisiert,»Geographie und Geschichte« in beiderseitiger»Verquickung« 32 zu lehren, basiert sein Lebenswerk auf einer Fülle heterogener Quellen und Medien, aus mündlichen und brieflichen, gedruckten und ungedruckten, aus Hand und Mund von Bekannten, Informanten, Lokal- und Spezialhistorikern bis hin zu den märkischen Volksstimmen selbst. Seit Jutta Fürstenau Aufnahme und Verarbeitung dieser Quellen 1941 erstmals systematisch untersucht hat, ist Fontanes»Gründlichkeit in der Sichtung und Ausschöpfung archivalischer Quellen« 33 auch der brandenburgisch-märkischen Archivbestände bezeugt: Wie schon sein Quellenverzeichnis zu den Wanderungen ausweist, bezieht er sich dabei gerade auch auf kleine Guts-, Adels- und Kirchenarchive sowie Feldzeugämter und ihre gedruckten und ungedruckten Bestände. Er zitiert aus»Schenkungsurkunden, Verordnungen, Erlassen, Instruktionen« ebenso wie aus»Rescripten, Cabinettsordres; aus Schlossregistern, Prozeßakten, aus Schlachtendispositionen und Belagerungsjournalen, aus Stammlisten und Testamenten hochgestellter Persönlichkeiten« 34 . Der Anspruch auf»exakte[n] Contour« 35 und »ein[e] gewiss[e] Vollständigkeit« 36 bestimmt den Archivalien-Rekurs als den des Historikers, der sich in»hundert Einzelforschungen« 37 Territorium, Geschichte und Personal erschließt. Die Methode des Historikers durchkreuzt und verwandelt indes eine andere. Auf die»Belebung des Lokalen« durch die»Poetisierung des Geschehenen« 38 und die Popularisierung des Unbekannten angelegt, ist sie Teil eines»audiovisuelle[n] Programm[s]« 39 im Dienst patriotischer Zielvorgaben: Der Leser soll mittels Lektüre befähigt werden, historisch kaum beleumundete Ortsnamen mit gegenwärtigem Landschaftsbild, vergangener Geschichte und der mit ihnen verknüpften Menschen assoziieren zu können:»Namen hören, Bild damit verknüpfen« 40 . Im Sinne dieses Ziels muss die Darstellung abweichen von den als»ledern« charakterisierten »furchtbar geistlos[en]« historischen Arbeiten und Archivpublikationen, auf die er sich stützt 41 :»[Heinrich] Berghaus, ein erbärmliches Buch, läßt
Heft
(2015) 100
Seite
82
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