Heft 
(2015) 100
Seite
107
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Thomas Hettche: Pfaueninsel  Hehle 107 zu dem Befund, plumpe Analogien und tautologische Winke mit dem Zaunpfahl würden noch lange keinen überzeugenden Roman machen(166– 197). Auch das abschließende Resümee über Effi Briest, dem begründet in Details zugestimmt werden könnte, ertönt wie vom hohen Ross herab: »[Fontanes] Versuch, die Gesellschaft zu analysieren und zu kritisieren, ohne sich den radikaleren Konsequenzen der europäischen Zeitgenossen zu öffnen, musste scheitern. Und dieses Scheitern bildet sich ab in einem Roman, der letztlich selbst nicht weiß, wie er sich verhalten will zu seinen Figuren und ihren Schicksalen. Die menschliche Sympathie gegenüber Effi ersetzt nicht eine wirkliche Analyse dieses Frauenlebens und der Gründe seines tödlichen Endes.«(197) Dem hermeneutischen Ansatz ist in der Vergangenheit von poststruk­turalistischer Seite ein autoritärer Umgang mit Texten vorgeworfen wor­den; es drängt sich auf, diesen Vorwurf dem Verfasser aufgrund seines apodiktischen Sprechens, das Texte, Autoren und die bevormundeten Le­ser gleichermaßen trifft, weiterzureichen. Angesichts der vielen von ihm konstatierten Schwächen bleibt zu fragen, warum er sich herabgelassen hat, der»normannische[n] Bauerntochter« und ihrer»märkische[n] Kame­radin«(53) oder dem»Einfaltspinsel Charles«(37) so viel Aufmerksamkeit zu schenken. Susanna Brogi Thomas Hettche: Pfaueninsel. Roman. Köln: Kiepenheuer& Witsch 2014. 352 Seiten, geb., 19,99 »Pfaueninsel! Wie ein Märchen steigt ein Bild aus meinen Kindertagen vor mir auf: ein Schloß, Palmen und Känguruhs; Papageien kreischen; Pfauen sitzen auf hoher Stange oder schlagen ein Rad, Volièren, Springbrunnen, überschattete Wiesen; Schlängelpfade, die überall hinführen und nir­gends; ein rätselvolles Eiland, eine Oase, ein Blumenteppich inmitten der Mark.« Mit diesem Erinnerungsbild eröffnet Fontane sein Kapitel über die Pfaueninsel in Havelland. Es ist keines seiner gründlichen Wanderungen ­Kapitel, sondern eines der aperçuhaften. Aus dem Kontinuum der Ge­schichte greift es drei Momente heraus, die»Zaubererinsel« des Alche­misten Kunckel, die»Zauberinsel« Friedrich Wilhelms III. mit Rosengarten und Menagerie und schließlich den Auftritt der Tragödin Elisa Rachel vor Friedrich Wilhelm IV. und Zar Nikolaus I. an einem Sommerabend des Jahres 1852. Gerade entgegengesetzt verfährt Thomas Hettches 2014 erschienener, preisgekrönter und rasch zum Bestseller avancierter Roman Pfaueninsel: Die Geschicke der Pfaueninsel während des 19. Jahrhunderts verdichtet er zu einer Geschichte Preußens, und am Bild der von der Havel umflossenen