Heft 
(2015) 100
Seite
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Fontane auf medizinisch-pharmazeutischem Terrain  Berbig 115 zwiegespalten ihm das zu erlernende Gewerbe war, so ungeteilt war sein generelles Interesse an ihm. Dass Wissen nicht schaden kann, es war ihm zeitlebens bewusst und schloss virtuoses Aneignen aus buntesten Quel­len ein. Im Zeugnis 1840 las sich das aus Prüferfeder so:»[]: daß der Fon­tane sehr gute Kenntniße der Chemie Pharmacie Botanik und Latinität besitze[]«, womit»seiner Ernennung zum Apotheker Gehülfen« 14 nichts im Weg stand. Immerhin geschlagene fünf Jahre später, am 1. Oktober 1845, stand Wilhelm Rose nicht an, Fontane erneut zu loben. Er erfülle, heißt es im Zeugnis nach der Rezeptarius-Zeit,»seine Obliegenheiten mit Eifer, Treue und Geschicklichkeit«,»gefälliges Betragen« habe ihm über­dies die»Liebe seiner Hausgenossen« 15 eingetragen. Selbst Fontanes Vater zögerte nicht, als der Sohn über ein Jahr vom April 1843 bis April 1844»die Defectur=Stelle in meiner hiesiegen Apotheke« 16 verwaltete, ihm rühmli­chen Eifer zu bezeugen und seine völlige Zufriedenheit auszudrücken. De­fektur das bedeutete gegenüber der Rezeptur, die medikamentöse Einzel­verschreibung und Anfertigungswünsche einlöste, das Ansetzen von Medikamenten auf Vorrat. Endlich, am 2. März 1847, bestand Fontane sein pharmazeutisches Examen.»Es war alles Durchschlupf«, spielte Fontane in Von Zwanzig bis Dreißig das»in Frack und weißer Binde« Absolvierte herunter und tauchte es in schillernd Anekdotisches, als sei ihm dieses Wissen mehr oder minder keins: Auf dem Weg zur Prüfung»schwenkte« er im Erinnerungsbild in Raehmels Weinhandlung ein, leerte eine halbe Flasche Rotwein und warf»einen flüchtigen Blick in ein kleines, mich be­ständig begleitendes botanisches Büchlein«. Sein Auge fiel auf»Die Caryo­phyllaceen« und just auf dieses Nelkengewächs fiel wenig später auch das Prüferauge. Ob Fontane über dieses Gewächs als Lieferant der Droge Sa­poninum album referiert hat, oder als Blutdrucksenker bzw. als Diureti­kum zur Durchspülungstherapie bei Harnsteinen, Nierengrieß und Krämpfen: wir wissen es nicht. Sein Botanik-Professor jedenfalls sah »wohl, daß ich gerad einen Schimmer davon hatte und mit diesem Schim­mer alles zu vergolden trachtete.« 17 Die Fachprüfung als Anekdote das Fach als Facette eines Daseins, nicht mehr als Beiwerk zum Eigentlichen. Und das war Schreiben, das war Dichtkunst. So will es der Altersblick, der des mittlerweile gestandenen Apothekers mit mehr als einem Jahrzehnt Berufspraxis wird es anders gesehen haben. Um es abzuschließen: Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheit Eich­horn stellte aus und unterzeichnete die Approbations-Urkunde Nr. 1640, die aus dem Kandidaten der Pharmazie einen»Apotheker erster Klasse« machte mithin befugt»zur Verwaltung und zum Besitze einer Apotheke in den Königlichen Landen« 18 war. All das verdeutlicht hinlänglich: In Fontane haben wir es mit einem ausgebildeten Apotheker zu tun, der seine Lehrlings- und Gehülfenzeit zur Zufriedenheit aller seiner Lehrherren und ordentlich bestellten Prüfer