116 Fontane Blätter 100 Vermischtes absolviert hat. Sollte von ihm, dem nun 28-Jährigen ein Arznei-Geruch ausgegangen sein, niemanden hätte es verwundern dürfen. Dabei hatte er nicht zu jenen angehenden Pharmazeuten gezählt, die damals schon und noch auf freiwilliger Basis für einige Semester an Hochschulen oder Universitäten Chemie- und Medizin-Vorlesungen hörten. Und dies, obwohl man sie an diesen akademischen Orten für minderwertig ansah, nicht gleichberechtigt, vertraut nur in Hilfs-, nicht in den ›richtigen‹ Wissenschaften. Doch hatte die Verwissenschaftlichung der pharmazeutischen Disziplin eingesetzt, entschieden, und sie zog langsam an, vorerst mit nur zähem Erfolg. Bayern ging 1808 mit Entschlusskraft diesen akademisierenden Weg, andere folgten. Dennoch: Doch noch Ende seines Jahrhunderts hätte Fontane an den Universitäten ordentliche Professuren mit Lehrstuhl für Pharmazie mit der Lupe suchen können. 19 Wir dürfen gewiss sein: Er hielt keine Ausschau danach. 3 Die Apotheken, in denen Fontane gelernt und später gearbeitet hatte, waren nicht von schlechten Eltern gewesen. Nicht alle, aber die meisten. Auch das gilt. Zutraf das etwa für die Berliner Apotheke Wilhelm Roses in der Spandauer Straße, wo er allerdings das Bewusstsein vorexerziert bekam, das spiegelhafte Wirkung haben mochte:»Er wurde mehr und mehr eine Zwittergestalt, ein Mann, der Apotheker hieß, während er doch eigentlich keiner war, weil er sich eben zu gut dafür hielt, und der nun allerlei Plänen und Aufgaben nachhing,[…].« 20 Zu gut für diesen Beruf, das saß als Bewusstsein tief. Es lief dem allgemeinen Aufwertungszug dieses Berufsstandes, ausgelöst durch dessen Verwissenschaftlichung und den sich abzeichnenden akademischen Ritterschlag, entgegen. Statt sozialer Aufmöbelung erlebte Fontane ihn als fragwürdig, minderwertig, erträglich nur durch seine Ironisierung. Dass Fontane im Biographischen Lexikon der Gegenwart, das 1862 bei Lorck unter dem Titel Männer der Zeit herauskam, unter anderem die beiden Artikel über Wilhelms weitaus berühmteren Brüder – den Minerologen Gustav Rose und den Chemiker Heinrich Rose, beide hochangesehene Professoren an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität – verfasst hat, 21 mutet wie ein autobiographischer Schleier über das ungeliebte Ursprungsmetier an: ein Schleier, bedruckt mit den Insignien von wissenschaftlich-akademischer Reputation und Dignität.»Die Biographien der drei Apothekersöhne«, schreibt Hubertus Fischer pointiert, »greifen am Ende in die Biographie des Biographen und Ex-Apothekers selbst hinein.« 22 Ironisierung, hatten wir gesagt, um den Stand auf Abstand zu bringen: 1850 etwa, kaum dem Pillen- und Rezepturgeschäft entkommen, nahm Fontane den Bericht seines zehn Jahre jüngeren Apotheken-Kollegen
Heft
(2015) 100
Seite
116
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