Bothos Dienstverhältnis Kleine 129 Onkel und Neffen findet mittags in dem zwischen Neustädtischer Kirchund Schadowstraße gelegenen Weinhaus Hiller, Unter den Linden 62/63 statt. Botho hat an diesem Tag bis 12 Uhr»Dienst in der Kaserne« 2 . Punkt»1 Uhr« ist er vom Onkel zu Hiller befohlen. Fontane beschreibt nun, welchen Weg der junge Offizier bis zu dem Treffpunkt nimmt. Der leichteren Nachvollziehbarkeit wegen zitiere ich diesen Textausschnitt ungekürzt aus der originalgetreuen Großen Brandenburger Ausgabe des Romans von 1997: »Um zwölf war der Dienst in der Kaserne gethan und Botho v. Rienäckerging die Linden hinunter aufs[Brandenburger] Thor zu, lediglich in der Absicht, die Stunde bis zum Rendezvous bei Hiller, so gut sich’s thun ließ, auszufüllen. Zwei, drei Bilderläden waren ihm dabei sehr willkommen. Bei Lepke[Unter den Linden 4a, etwa dort, wo sich jetzt die Russische Botschaft erstreckt] standen ein paar Oswald Achenbachs im Schaufenster, darunter eine palermitanische Straße, schmutzig und sonnig, und von einer geradezu frappierenden Wahrheit des Lebens und des Kolorits. ›Es gibt doch Dinge, worüber man nie ins Reine kommt. So mit den Achenbachs. Bis vor Kurzem hab’ ich auf Andreas geschworen; aber wenn ich so was sehe wie das hier, so weiß ich nicht, ob ihm der Oswald nicht gleichkommt oder ihn überholt. Jedenfalls ist er bunter und mannigfacher. All dergleichen aber ist mir bloß zu denken erlaubt; vor den Leuten es aussprechen, hieße meinen ›Seesturm‹[den er zu verkaufen gedachte, weil er Geld brauchte] ohne Not auf den halben Preis herabzusetzen.‹ Unter solchen Betrachtungen stand er eine zeitlang vor dem LepkeschenSchaufenster und ging dann, über den Pariser Platz hin, auf das Thor und die schräg links führende Thiergarten-Allee zu, bis er vor der Wolff’schen Löwengruppe Halt machte. Hier sah er nach der Uhr. ›Halb Eins. Also Zeit.‹ Und so wandt’ er sich wieder, um auf demselben Weg nach den ›Linden‹ hin zurückzukehren. Vor dem Redern’schen Palais[Unter den Linden 1, an der Ostecke des Pariser Platzes, jetzt Adlon] sah er Leutnant v. Wedell von den Garde-Dragonern auf sich zukommen. ›Wohin, Wedell?‹ ›In den Club. Und Sie?‹ ›Zu Hiller.‹ ›Etwas früh.‹ ›Ja, aber was hilft’s? Ich soll mit einem alten Onkel von mir frühstücken, neumärkisch Blut und just in dem Winkel zu Hause, wo Bentsch, Rentsch und Stentsch liegen, – lauter Reimwörter auf Mensch, selbstverständlich ohne weitre Konsequenz oder Verpflichtung. Übrigens hat er, ich meine den Onkel, mal in Ihrem Regiment gestanden. Freilich lange her, erste vierziger Jahre, Baron Osten.‹ ›Der Wietzendörfer?‹ ›Eben der.‹
Heft
(2015) 100
Seite
129
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