Heft 
(2015) 100
Seite
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130 Fontane Blätter 100 Vermischtes ›O den kenn ich, d. h. dem Namen nach. Etwas Verwandtschaft. Meine Großmutter war eine Osten. Ist doch derselbe, der mit Bismarck auf dem Kriegsfuß steht? ›Derselbe. Wissen Sie was, Wedell, kommen Sie doch mit. Der Club läuft Ihnen nicht weg und Pitt und Serge[zwei Offizierskameraden] auch nicht; Sie finden sie[dort] um Drei gerad so gut wie um Eins …‹« 3 So überqueren die beiden die Linden und treffen Schlag Eins Baron von Osten, der sie am Eingang des Nobelrestaurants schon erwartet. Nach Fontanes Schilderung zu urteilen, dürfte dies ein recht beschau­licher, von nachdenklichen Selbstgesprächen erfüllter Spaziergang gewe­sen sein. Nimmt man die Beschreibung für wirklichkeitsnah und verfolgt die Strecke zu Fuß eine Stunde lang von vormals Hiller bis zum Beginn zurück, so muss einen das in unmittelbare Nähe der Stelle führen, wo dem Roman zufolge Bothos Kaserne gelegen hat. Eines schönen Frühlingstages gönnte ich mir das Vergnügen, diesen Spaziergang im Berlin von heute nachzuvollziehen. Meine Erkundung begann zwischen Schadow- und Neu­städtischer Kirchstraße. Ich überquerte die»Linden« schräg nach rechts auf das Hotel Adlon zu, also zu jener Stelle, wo Fontane Botho den Leutnant v. Wedell treffen lässt. Wedell könnte von seiner Gardedragonerkaserne gekommen sein. Das stattliche Frontgebäude des einstigen Gardedrago­ner-Areals südlich vom Halleschen Tor am jetzigen Mehringdamm, gegen­über den Friedhöfen gelegen, ist erhalten geblieben. Wedell mag von dort per Droschke über den Belle-Alliance-Platz(heute Mehringplatz), die Wil­helmstraße oder die Friedrichstraße entlang bis zu den»Linden« kut­schiert und das letzte Wegstück zum»Club« zu Fuß gegangen sein. Den muss Botho gerade passiert haben; denn beachtet man, dass die Südseite des Pariser Platzes während der 1870er und 1880er Jahre zwischen Palais Redern und Brandenburger Tor nur mit vier weiteren Palais bebaut war, so lässt sich daraus schließen, dass sich in einem der Gebäude der»Club« befunden haben muss. Doch in welchem? Ich ging nun»über den Pariser Platz hin«, durch das Brandenburger Tor und halblinks in den Tiergarten bis zum Denkmal mit der tödlich ver­wundeten Löwin und ihren Jungen. Dort verweilte ich ein wenig, kehrte »auf demselben Weg nach den ›Linden‹ hin zurück« 4 und schlenderte diese, die Russische Botschaft passierend, weiter hinauf. Nach einer knappen Stunde hielt ich an der Kreuzung Unter den Linden/ Charlottenstraße inne. Links vor mir, jenseits der»Linden« der neubarocke Bau der Staats­bibliothek. Etwas ratlos sah ich mich um. Denn dass dort drüben um 1875 anstelle der Bibliothek noch der Marstall gestanden hatte, zu dem die ­Kaserne der berittenen Leibgarde gehörte, wusste ich noch nicht. Erst das Studium alter Stadtpläne, Berichte und Dokumente ließ mich nach und nach dahinterkommen. Eines aber dämmerte mir schon: hier, etwas