Heft 
(2015) 100
Seite
131
Einzelbild herunterladen

Bothos Dienstverhältnis  Kleine 131 ­westlich vom Zentrum Altberlins, muss der junge Botho von Rienäcker sei­nem Dienst nachgegangen sein. Ein nur leicht verschlüsseltes Stichwort in Irrungen, Wirrungen, an­fangs kaum beachtet, veranlasste mich, dem Sachverhalt genauer auf den Grund zu gehen. Im erwähnten Gespräch zwischen Baron Osten und Botho fällt es:»Botho«, sagt da der Herr v. Osten,»wozu stehst Du bei den Kaiserkürassieren und wozu hast Du eine reiche Cousine, die bloß darauf wartet, daß Du kommst und in einem regelrechten Antrag das besiegelst und wahrmachst, was die Eltern schon verabredet haben, als ihr noch ­Kinder wart[]« 5 Bei der schweren Kavallerie steht Botho also, benannt nach dem»Kürass«, dem blechernen oder ledernen Brustpanzer, der die Kürassiere von anderen berittenen Waffengattungen unterschied. Den»Kaiserkürassieren« gehört Botho also an.»Premierlieutenant im Kaiser-Kürassier-Regiment« wird er sich in seiner Heiratsanzeige schon bald nennen. 6 Was besagt dies? Die Anmerkungen der GBA identifizieren mit den»Kaiserkürassieren« das»Brandenburgische Kürassier Regiment Nr. 6 ›Kaiser Nikolaus I. von Russland‹« als»ein traditionsreiches vorneh­mes Regiment.« 7 Damit folgen sie der Worterklärung in vorausgegangenen kommentierten Ausgaben des Romans. Doch diese Festlegung ist nicht haltbar. Das Kürassierregiment Nr. 6 stand in Brandenburg a. d. Havel. Deshalb hatte es den Namenszusatz»Brandenburgisches« bekommen. Die »Nikoläuse«, wie sie der Volksmund nannte, waren nie, auch nicht teil- und zeitweise in Berlin stationiert. Dies lässt sich der Rang- und Quartierliste der Königlich Preußischen Armee für das Jahr 1875 und den Listen der fol­genden Jahre sowie der Regimentsgeschichte entnehmen. 8 Ein Brief ­Theodor Fontanes weist auf ein weiteres Detail hin: Am 21. April 1884, da arbeitete er noch an Irrungen, Wirrungen, schrieb er an Eduard Engel, sei­ne Geschichte behandle»das Verhältniß eines schönen Gardekürassierof­fiziers zu einer Confectioneuse,[] von der er sich schließlich trennt, weil er mu ß«. 9 Eines Gardekürassieroffiziers! Das KR Nr. 6 in Brandenburg ge­hörte nicht zur Garde. Die Garderegimenter Preußens waren alle in und zwischen Berlin, Potsdam und Spandau konzentriert. Und Gardekürassier­regimenter besaß Preußen nur zwei: Das Garde-Kürassier-Regiment(ohne Nummer), Mitte der 1870er Jahre von Oberst Freiherr v. Locquenghien befehligt, war östlich des Belle-Alliance-Platzes, zwischen der Linden- und der Alexandrinenstraße untergebracht, bis es in den 1890er Jahren ein Stück weiter südlich, am Rande des Tempelhofer Feldes, größere, moderne­re Kasernen zugewiesen bekam. Die stattlichen roten Ziegelgebäude dort (auch ein eigenes Kasino gehörte dazu) sind vom Columbiadamm aus heute noch zu sehen. Doch auch dieses Regiment kommt als Vorbild für Bothos Truppenteil nicht in Frage: es passt überhaupt nicht in Fontanes ortsgetreu­es roman-topographisches Beschreibungsgefüge. Durchaus ­dagegen das