146 Fontane Blätter 100 Vermischtes Pröve gibt auf S. 78 seines Buches einen Grundriss vom Erdgeschoss des Palais Radziwill mit einem Stück des Gartens dahinter wieder. Wir sehen darauf alle Zimmer des Kasinos in ihrer auch später kaum noch veränderten Anordnung: Man betrat das Etablissement vom Pariser Platz her links durch einen separaten Eingang, gelangte durch das Vestibül, an Garderoben vorbei in einen Vorsaal, von dem aus rechts die Bücherei und drei Lesezimmer mit Fenstern zum Pariser Platz erreichbar waren. Nach links öffneten sich die Türen zum großen Saal und den im linken Flügel hintereinander gelegenen zwei Gesellschaftszimmern, dem Frühstückszimmer, dem Billardsaal und dem Speisesaal, von denen aus man durch eine Veranda und über eine kurze Freitreppe die Gartenterrasse erreichen konnte. Längs der linken Gartenmauer zog sich die(später wieder beseitigte) Kegelbahn hin. Ein schmaler, gepflegter Rasen füllte die Lücke zwischen den beiden Seitenflügeln des Palais. Auf diesen»lawn« blickten die Fenster der hinteren Kasinoräume. Jenseits des Rasenstreifens, im rechten Seitenflügel des Palais, lagen zu ebener Erde Pferdeställe, Wagenremisen und Kutscherstube, darüber Wirtschaftsräume und die Zimmer des Hauspersonals. Dorthin – auch in die Beletage der Fürstenfamilie Radzwill – gelangte man vom Pariser Platz her rechts durch eine Toreinfahrt, das Treppenhaus und den Hof. Dies sei hier nur nebenbei erwähnt, denn es ist die Zimmerflucht des Kasinos im linken Flügel, die uns interessiert. FontanesBeschreibung der räumlichen Verhältnisse im»Club« stimmt mit dem Bild, das der Bauplan vermittelt, nahezu überein. Tatsächlich dürfte er dieses»Lokal vor Augen« gehabt haben, als er es in Irrungen, Wirrungen beschrieb. Erst in der Entstehungszeit des Romans konnte er es kennengelernt haben. Ob er – als eingeladener Gast – das Kasino in den 1880er Jahren selbst einmal aufsuchte oder es genau beschrieben bekam, muss dahingestellt bleiben. Beides ist möglich. Doch ich fand selbst in Roland Berbigs akribisch erarbeiteter Fontanechronik keinen Hinweis darauf. So also war das – oder sagen wir bescheidener: dürfte es gewesen sein. Warum Theodor Fontane Realien, wie die eben besprochenen in Irrungen, Wirrungen, ausblendete oder nur andeutete und im Unbestimmten beließ, warum er sich bei der Beschreibung von Bothos Dienstverhältnis eine so deutliche Zurückhaltung auferlegte – dazu stellte Helmuth Nürnberger in seiner Miszelle Gardes du Corps. Die 101. Finesse in»Irrungen, Wirrungen« in den Mitteilungen 46 der Theodor Fontane Gesellschaft(S. 68–77) bemerkenswerte Betrachtungen vor. Ihnen schließe ich mich gerne an. Letzte Zweifel bleiben immer. Zwischendurch fragte ich mich zuweilen: Hätte Lene Nimptsch solche Unklarheiten, die du hier aufzuklären suchst, auch in ihr Merkheft»Was zu wissen noth thut« aufgenommen? Muss denn der Leser das alles kennen, um Theodor Fontanes Erzählung zu verstehen? Und ich antwortete mir: Nein, das muss er nicht, natürlich nicht. Doch lädt dieser Autor mit seinem Anspielungsreichtum den aufmerksamen Leser
Heft
(2015) 100
Seite
146
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten